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«Kein unbedarfter Konf-Film»

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01.01.2016
«Noah» läuft seit April in den Kinos. Der Journalist Matthias Böhni hat sich den Film mit Gottfried Locher angesehen, dem Ratspräsidenten des Kirchenbundes. Sein Fazit: Der Film ist zwar laut, aber gut.

Hat Ihnen der Film gefallen?

Gottfried Locher: Ja, er ist eine Wucht, basierend auf einer tollen Geschichte. Für meinen Geschmack ist er an der oberen Grenze von Lärm und Explosionen.

Warum eine Wucht?

Der Film zeigt den Kampf zwischen Gut und Böse in jedem Menschen, in uns selber. Woher kommt das Böse? Ist das Gute stärker? Noah will im Auftrag von Gott das Böse vernichten. Und er meint, Gott wolle von ihm, dass er die Menschen auch gleich ausrotte. Nicht einmal die eigenen Enkelkinder sollen überleben. Er sieht nur das Böse in den Menschen. Erst ganz am Schluss versteht er: Auch das Gute steckt in uns.  

Im Film werden auf der Arche Zwillinge geboren, und sie hat einen blinden Passagier ...

Ja, das sind interessante Verfremdungseffekte, die nicht der biblischen Vorlage entsprechen. Der blinde Passagier zeigt: Der Kampf zwischen Gut und Böse tobt auch in der Arche. 

Darf ein Film einfach so Dinge zur Genesis hinzuerfinden?

Natürlich darf er das, es ist ein Film, der Regisseur kann machen, was er will. Theologisch sind diese neuen Dinge durchaus sinnvoll. Im Film kommen aber auch etliche biblische Motive vor: der Sündenfall-Apfel, die Schlange, der Brudermord.

Vermittelt der Film die biblischen Inhalte adäquat?

Ja, zumal wir bezüglich biblischen Filmen nicht wirklich viel Auswahl haben (lacht). Ich finde zum Beispiel sehr gelungen, wie die Präsenz Gottes gezeigt wird: Entweder in Träumen, was durchaus biblisch ist, aber auch, wenn Noah in einen nebelverhangenen Himmel redet. Im Film wird übrigens nicht von «Gott» geredet, sondern vom «Schöpfer» oder einfach von «Ihm». Damit wird ein frömmelnder Touch vermieden.

Noah erzählt in einer Episode die Schöpfungsgeschichte vom Regisseur dramatisch in Bilder gefasst. Wie fanden Sie das?

Gut. Denn zum Text der Schöpfungsgeschichte wurden naturwissenschaftliche Bilder im Zeitraffer gezeigt. Die Schöpfungsgeschichte und die Evolutionstheorie sind so zwanglos und natürlich ineinander übergegangen. So verschieden scheinen die beiden Narrative gar nicht zu sein.

In der biblischen Vorlage führt Noah gradlinig einen Auftrag aus. Im Film durchläuft er eine Entwicklung ...

Richtig. Zuerst ist er eine Art Highlander und fürsorglicher Familienvater, dann wird er zum Instrument Gottes, schliesslich gerät er in einen religiösen Wahn und möchte alle Menschen ausrotten. Als er deshalb die Zwillinge, seine Enkelinnen, umbringen will, wird er menschlich, er kann es nicht tun, es ist, als würde Gott selber auf diese Zwillinge schauen und erkennen, dass das Leben ein Geheimnis und Dilemma ist, wo Gutes und Böses angelegt ist.

Noah entwickelt sich von einer Art Terminator zum Menschen?

Ja. Er muss erkennen, dass das Leben nach der Sintflut nicht einfach nur gut sein wird. Der Neuanfang ist bereits gutböse. Der starke Mann erkennt, als er die Zwillinge töten will, dass in der Schwachheit die Stärke angelegt ist, und das lässt ihn schwach werden. Aber Noah fühlt sich dann als Versager und wirkt wie ein Obdachloser. Am Schluss ist er wieder das gutbürgerliche Familienoberhaupt.

Würden Sie den Film empfehlen?

Ja. Aber es ist kein unbedarfter Film für den Konf-Unti. Wer ihn schauen geht, sollte religiös erwachsen sein. Was ist Gottes Stimme? Und was bloss Gotteswahn? Die Menschen im Film beantworten diese Fragen unterschiedlich und widersprüchlich. So apokalyptisch und pompös-laut die special effects auch sind, so subtil sind die Protagonisten dargestellt. Das Gute gewinnt, aber auch der Kampf mit dem Bösen geht weiter in jedem Menschen.


«Noah» läuft seit dem 3. April in den Kinos

Interview: Matthias Böhni, ref.ch

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