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«Ein Schatz voller Geschichten»

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01.01.2016
Die Medienstelle Olten feiert in diesem Herbst ihr 40-Jahr-Jubiläum. An der Jurastrasse beherbergt die Stelle 2400 Bücher und DVDs für den Religionsunterricht. Ein Schatz voller Geschichten und Bilder.

Der Raum ist nicht gross. Regal reiht sich neben Regal, in die feinsäuberlich Bücher und andere Unterrichtsmaterialien eingeordnet sind. Doch Regi Eichelberger, Leiterin Fachstelle Religionsunterricht, und Ruth Vogler, Präsidentin der Unterrichtskommission Olten, sind mit dem Räumlichkeiten völlig zufrieden. Früher war diese Stelle im Dachstock der Friedenskirche Olten untergebracht. Wollte man sie erreichen, so musste man über eine enge Treppe steigen. «Wir waren im Turmzimmer untergebracht», scherzt Regi Eichelberger.
Im Moment besteht der Bestand der Medienstelle aus 2400 Büchern, Comics, CD, DVD, Schwarzenburger Figuren und Spielen wie «Biblischer Zoo», «Schöpfungsmemory» und «Gruppen-Mandala». Jährlich kommen neue Medien hinzu. Der Verleih bietet auch Ausgefallenes: etwa eine Presse, mit der Kinder den Traubensaft für das Abendmahl pressen, und eine Kiste mit Kostümen, um sich wie die Zeitgenossen Jesu zu verkleiden. Rund hundert Benutzer suchen regelmässig die Medienstelle auf.

Vom Kloster zum Katechismus in die Schule
Die Geschichte des Religionsunterrichtes und seiner Medien reicht ins Mittelalter zurück. Christlicher Glaube wird im Mittelalter in den Klosterschulen von St. Gallen, Einsiedeln, Muri, Zürich, Luzern und Solothurn vermittelt. Die Glaubenslehre wird auswendig gelernt, meist auf Latein.
Im 15. Jahrhundert will die Reformation ihre Glaubensinhalte kurz und prägnant mit einem neuen Medium vermitteln, dem Katechismus. Jean Calvin, Leo Jud, Kaspar Megander und Abraham Musculus verfassen die entsprechenden Lehrbücher, die sich rasch verbreiten. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts setzt sich in der Schweiz der Heidelberger Katechismus durch. Mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht im 18. Jahrhundert wird der Religionsunterricht zu einem Schulfach neben anderen. Die Schulaufsicht obliegt jedoch noch dem Pfarrer.
1798 kommt es in Europa zu einem geistigen Umbruch: Der Geist der Aufklärung und der französischen Revolution dringt in die Schulstuben. Die Helvetische Republik sieht den Religionsunterricht nicht mehr als Angelegenheit der Schule, sondern der Konfessionen an. Nach dem Zusammenbruch der napoleonischen Ära bleibt der Religionsunterricht als religiös-sittliche Erziehung in der Schule bestehen. Staat und Kirche teilen sich die Verantwortung. Die Kirchgemeinden gründen in vielen Gemeinden Sonntagsschulen, in denen die kleineren Kinder im Geiste des Pietismus an den christlichen Glauben geführt werden. Hier wird gebetet, gesungen, auswendig gelernt und gezüchtigt. Das pädagogische Ziel heisst Frömmigkeit.

Sechzig Kinder in der Klasse
Im 20. Jahrhundert entwickelten sich je nach Kanton verschiedene Modelle des Religionsunterrichts, in dem Schule und Kirche zusammenarbeiten. Als Lehrmittel dienten noch bis in die 70er-Jahre die Bibel und das Kirchgesangbuch. Der Synodalrat der Solothurner Kirche schrieb noch 12 Pflichtlieder vor, welche die Schülerinnen und Schüler auswendig lernen mussten.
Dora Rösler-Ringgenberg, inzwischen verstorben, amtete zwischen 1940 und 1956 als erste Pfarrerin der Reformierten Kirche Kanton Solothurn in Olten. Sie erteilte 16 Religionsstunden in der Woche. Weilte der Pfarrer in den Kriegsjahren im Militär, so übernahm sie noch dessen Konfirmanden. «Im Schulzimmer sassen fast sechzig Kinder», erinnerte sie sich. Es bestand lediglich ein rudimentärer Lehrplan. Dora Rösler-Ringgenberg erzählte in der Stunde biblische Geschichten.
Die Schülerinnen und Schülern lernten die Kirchenlieder. Pro Woche sollten sie eine Strophe auswendig lernen.
«Wer das nicht schaffte, musste die Strophe abschreiben», sagte die Pfarrerin. Das sei schon eine schlimme Strafe gewesen.
In den Siebzigerjahren erhält eine Arbeitsgruppe aus Lehrern und Diakonen den Auftrag, einen Bericht über die Situation des Religionsunterrichtes zu schreiben. Es entsteht ein Lehrplan, der nach einer Probephase vom Pfarrkapitel und der Synode abgesegnet wird.
Ein neuer Lehrplan bedingt neue Lehrmittel. 1974 wird die Medienstelle Olten unter Hanspeter Jucker gegründet. In den kommenden Jahrzehnten wird der Religionsunterricht professionalisiert und ständig neue Lehrpläne ausgearbeitet. 1994 wird im Kanton Solothurn die erste Ausbildung für Katechetinnen und Katecheten angeboten. Seit 1999 ist der Lehrplan ökumenisch. Heute sitzen Reformierte, Katholiken, Muslime und andere gemeinsam im kirchlichen Religionsunterricht an der Schule.

Workshop statt Frontalunterricht
Auch von der Form her haben sich die Lektionen in den letzten Jahrzehnten massiv geändert, erzählt Regi Eichelberger, die seit 25 Jahren als Katechetin arbeitet. Statt Frontalunterricht arbeitet die Klasse heute stärker in Gruppen und Workshops. Statt Bibelstellen und Strophen von Kirchenliedern zu rezitieren, wird heute gesungen, diskutiert, gemalt, gebastelt und Arbeitsblätter besprochen. Die Lektionen greifen lebensrelevante Themen vor dem Hintergrund der biblischen Geschichten auf. In der Mittelstufe beispielsweise Themen aus dem eigenen Leben, etwa «Ich», «Mut», «Vertrauen» und «Angst». An der Oberstufe stehen Ethik und Religionen auf dem Stundenplan.
Die breite Thematik und verschiedenen Unterrichtsformen bedingen die entsprechenden Lehrmittel. «Deshalb wird auch in Zukunft die Medienstelle eine Anlaufstelle für Pfarrpersonen und Katechetinnen bleiben», sind Regi Eichelberger und Ruth Vogel überzeugt.



Medienstelle für Religionsunterricht, Kinder und Jugendarbeit, Jurastrasse 20, Olten, Öffnungszeiten: Montag, 911 Uhr; Dienstag, 1416 Uhr; Mittwoch, 1518 Uhr; Donnerstag, 911 Uhr und 1416 Uhr.



40 Jahre Medienstelle Olten: Poesie und ­Weisheit, Vortrag Stephan Sigg, Buchautor, ­Mittwoch, 22. Oktober, 14 Uhr, ökumenische
Weiterbildung, Jurastrasse 20, Olten.



Zum Bild: «Kinder brauchen Bücher, Lieder und Geschichten», Ruth Vogler und Regi Eichelberger. | tz

Tilmann Zuber

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