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Mehr erwachsene als jugendliche Schweizer Jihadisten

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01.01.2016
Die Meldungen von jungen Jihadreisenden aus der Schweiz schockieren. Erste Erkenntnisse einer Studie zeigen aber: Es sind mehrheitlich Erwachsene, die sich islamistischen Terrorgruppen anschliessen. Das sagt Studienleiterin Miryam Eser Davolio von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW.

Miryam Eser Davolio, in Ihrer Studie untersuchen Sie die Hintergründe jihadistischer Radikalisierung in der Schweiz. Ziehen vor allem Jugendliche in den Heiligen Krieg?
Nein. Dieser Eindruck täuscht! Er entsteht wohl, weil man vor allem von Jugendlichen liest, die diese dramatische Entscheidung fällen, und von ihren Eltern, die versuchen, sie zurückzuholen. Das löst Emotionen und Anteilnahme aus. Erste Ergebnisse unserer Studie zeigen aber, dass es meist mündige Personen sind, die in den Krieg ziehen.

Und diese tragen selber die Verantwortung?

Ja, bei Erwachsenen kann man davon ausgehen, dass sie sich der Risiken bewusst sind, und auch der möglichen Konsequenzen. Bei Jugendlichen aber hat der Staat eine Verantwortung. Er muss sie schützen, damit sie weder sich noch andere gefährden.

Wie kann der Staat eingreifen?
Wenn ein Schweizer Bürger eindeutig beabsichtigt, als Kämpfer nach Syrien oder in andere Länder zu reisen, kann er aufgehalten werden.

Vor allem Männer ziehen in den Jihad, es gibt aber auch einige Frauen.
Frauen werden nicht als Kämpferinnen angeworben, sondern als Ehefrauen und Mütter. Sie sollen Kinder gebären und die neue Generation aufziehen. Deswegen sollen sie auch Umstandskleider und Babywindeln mitnehmen.

Was treibt diese Frauen an?
Einige verlieben sich via Facebook in Kämpfer und folgen ihnen in ihr Land, andere werden vor Ort einem Mann vermittelt. Auch junge Männer werden oft von romantischen Vorstellungen angetrieben. Sie sehen sich in der Rolle des gerechten Kämpfers, der gegen die Ungläubigen in den Krieg zieht. Wenn Jugendliche sich so stark radikalisieren, gehen sie damit auf maximale Distanz zur Erwachsenengeneration. Mit nichts anderem kann eine Tochter bei den Eltern so viel Entsetzen auslösen, wie wenn sie verschleiert nach Hause kommt!

Wie sollen Eltern reagieren?
Wichtig ist, dass die Auseinandersetzung mit Jugendlichen stattfindet bevor sich Haltungen derart verfestigen. Wenn erste Anzeichen feststellbar sind, muss man das Gespräch suchen oder sich von einer Fachperson unterstützen lassen. Das Amt für Erwachsenen- und Kinderschutz der Stadt Bern bietet beispielsweise eine «Beratungsstelle Radikalisierung» an.


Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».


Zum Bild: Erziehungswissenschaftlerin Miryam Eser Davolio sieht auch den Staat in der Verantwortung, wenn Heranwachsende sich radikalisieren.
ZHAW

Katharina Kilchenmann / reformiert.info

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