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Wenn der Staat Tiere beerdigt

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01.01.2016
Das Friedhofs- und Bestattungsamt der Stadt Zürich prüft die Idee, separate Grabfelder für Haustiere einzurichten. Ist das aber eine Aufgabe des Staates? Ein Befürworter und ein Kritiker nehmen Stellung.

Wie dramatisch es sein kann, wenn die eigene Katze stirbt, hat die Aargauer Pfarrerin Nadine Hassler kürzlich in ihrem Blog beschrieben: «Ich habe schon Kaninchen und Kanarienvögel durch den Tod verloren doch kein Sterben ging mir so unter die Haut wie das meines Katers.» Seine Asche beerdigte sie im Garten und setzte einen Apfelbaum darüber.
In der Schweiz leben rund 1,2 Millionen Katzen und 550 000 Hunde. Pro Jahr sterben rund 45 000 Hunde. Die meisten werden in Kadaversammelstellen entsorgt und zu Tiermehl verarbeitet. Das Verhältnis zwischen Tier und Mensch hat sich in den letzten Jahrzehnten aber grundlegend gewandelt, wie auch das Beispiel von Nadine Hassler zeigt. Vor allem Haustiere wie Katzen und Hunde sind dem Menschen ans Herz gewachsen. Und wenn ein Tier stirbt, ist die Trauer gross. Manchmal sehr gross.
Das Bedürfnis, Tiere würdig zu bestatten, ist also durchaus vorhanden. In der Schweiz ist dies auf einem öffentlichen Friedhof in der Regel nicht möglich. Es gibt aber zwei private Tierfriedhöfe in Baselland und im Kanton Luzern.

Tiergrabfelder in der Stadt Zürich?
Schon bald könnte hier aber die Stadt Zürich aktiv werden. Der Leiter des Bestattungs- und Friedhofsamts, Rolf Steinmann, prüft zurzeit die Thematik. Es gebe sehr gute Gründe, etwa die Tierliebe, die für Tiergrabfelder sprechen, sagt er gegenüber ref.ch. Es könne durchaus sinnvoll sein, dass die Stadt hier aktiv werde. Der Platz dafür sei auf den Friedhöfen vorhanden.
«Mit einem Tiergrabfeld kommen wir den gewandelten Bedürfnissen der Bevölkerung entgegen und passen die Nutzung der Friedhöfe an die heutige Zeit an», sagt Steinmann. Angedacht ist, dass die Nutzer für die Bestattung selber bezahlen, für die Stadt also keine Kosten anfallen.
Wann und ob das erste Tiergrabfeld eröffnet werden kann, ist aber noch unklar: «Es ist erst eine Projektidee. Vorgängig gilt es intern und extern noch einige Diskussionen zu führen und zu prüfen, wie die Distanz zwischen Mensch und Tier allgemein verstanden wird.»

Katholischer Theologe sagt ja
Darf man aus christlicher Sicht ein Tier beerdigen, allenfalls auf einem öffentlichen Friedhof? Anton Rotzetter ist Kapuziner und Präsident der «Aktion Kirche und Tier», einem Verein, der sich für Tiere in der Gesellschaft und vor allem in den Kirchen einsetzt. Gemäss Rotzetter könne man in der «bisherigen anthropozentrischen Theologie die Tierbestattung auf offiziellen oder privaten Friedhöfen nicht begründen», und zwar weder in der katholischen noch in der evangelischen Kirche.
Aber das sollte sich ändern, findet Rotzetter. Gott rettet «Menschen und Tiere» zitiert er Psalm 36. Und im Römerbrief stehe, dass «alle Geschöpfe seufzen und teilhaben wollen an der Herrlichkeit Gottes und an der Freiheit der Kinder Gottes». Die katholische kirchenoffizielle Praxis müsse deshalb korrigiert werden: «Tiere sind dermassen in das Schicksal mit dem Menschen eingebunden, dass eine rituelle Bestattung von Tieren ein pastorales Postulat ist. Und zwar auch auf öffentlichen Friedhöfen.»

Reformierter Theologe sagt nein
Etwas anders sieht es Christoph Ammann. Er ist reformierter Theologe am Institut für Sozialethik der Universität Zürich und Vorstandsmitglied von «Aktion Kirche und Tier». Die Bestattung von Tieren ist zwar auch für ihn nicht grundsätzlich ein Problem. Kritisch sieht er aber, dass Tiergrabfelder nun quasi staatlich angeboten werden. Bei der Tierbestattung gehe es nicht um die Tiere, sondern ausschliesslich um die Besitzer und ihre Wünsche. «Sie sind ernst zu nehmen. Aber dies tun wir bereits, indem wir die Bestattung ihrer Tiere auf privaten Friedhöfen ermöglichen.»
Es sei daher keine Pflicht des Staates, die Bestattung von Haustieren auf öffentlichen Friedhöfen anzubieten. Es gebe auch kein Recht von Haustieren, bestattet zu werden. «Sonst wäre nicht einzusehen, warum andere Tiere nicht auch bestattet werden sollten.» Ammann wirft noch einen weiteren Punkt ein: «Es ist geschmacklos, wenn neben dem Grab für ein Kind eines für ein Meerschweinchen ist. Es gibt eine Differenz zwischen Mensch und Tieren, die zu wahren ist.»

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation des Interkantonalen Kirchenboten, reformiert. und ref.ch


Zum Bild: Hier könnte ein Tiergrabfeld entstehen: Freifläche auf dem Friedhof Sihlfeld in Zürich.
Wikimedia/RolandZH

Matthias Böhni / ref.ch / 10. Juni 2015

Links:
Link zum Blog von Pfarrerin Nadine Hassler

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