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Erasmus vor Luther

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01.01.2016
2016 ehrt die Reformationsstadt Basel Erasmus von Rotterdam. Denn der Humanist, der zeitlebens Katholik blieb, legte am Rheinknie die Basis für den Durchbruch von Luther und Zwingli.

2017 feiert die protestantische Welt Luthers Thesenanschlag am Kirchenportal zu Wittenberg. Der Akt bildet den Auftakt zur Reformation, die ganz Europa erschütterte. In Basel hingegen beginnt das Reformationsjubiläum schon 2016. Die Stadt ehrt Erasmus von Rotterdam. Der Theologe machte mit seiner Bibeledition und seinem Wirken die Reformation erst möglich. Trotzdem blieb er Katholik.

Der Humanist kam 1514 erstmals nach Basel und wohnte zwischen 1522 und 1529 hier, um seine Schriften in der Werkstatt seines späteren Freundes Johann Froben drucken zu lassen. Erasmus habe in Basel länger gelebt als in irgendeiner anderen Stadt Europas, sagt der Kirchenhistoriker Martin Wallraff von der Universität Basel. «Hier ist er gestorben, im Münster liegt er begraben.» Mit seiner Arbeit legte er das Fundament für die Reformation. Als Erster gab er das Neue Testament in seinem griechischen Urtext heraus und setzte damit 1516 den entscheidenden Grundstein zur Erforschung der Bibel. Erasmus vertrat das Ideal, dass alle Zugang zu den biblischen Texten haben sollten. Jeder sollte sie lesen und auslegen können. Für heutige Zeitgenossen klinge dies banal, meint Martin Wallraff, doch im 16. Jahrhundert war es revolutionär. «Es war ein Angriff auf die professionelle Besatzung des Textes und demokratisierte die Lesekultur und die Gesellschaft.»

Vorbote einer neuen Zeit

Mit seiner Forderung gilt Erasmus als Vorbote einer neuen Zeit. Eine Ausstellung im Basler Münster würdigt 2016 dieses 500-Jahr-Jubiläum und den Menschen und Gelehrten dahinter. Erasmus wollte die mittelalterliche Kirche reformieren, aber mit moderaten Mitteln. Entsprechend nahe stand er den Reformatoren wie Luther, den er in einem Brief mahnte: «Meines Erachtens kommt man mit bescheidenem Anstand weiter als mit Sturm und Drang.»

Erasmus beeinflusste auch die Reformation in der Schweiz. Während seines Studiums begeisterte sich Huldrych Zwingli für den Humanismus, dessen wichtigster Repräsentant Erasmus von Rotterdam war. Statt sich auf die traditionelle Bibelauslegung zu verlassen, studierte Zwingli die Quellen in griechischer Sprache. Den Anstoss gaben ihm die Schriften von Erasmus von Rotterdam. Der Basler Humanist habe ihm die Augen geöffnet, statt den erfundenen Lehren und Bräuchen der Menschen zu glauben, sich an Christus zu wenden und von ihm das Gute zu erwarten. «Solus Chistus» wurde zum Leitwort von Zwinglis Reformen, die er in Zürich unverzüglich umsetzte.

Vater der Ökumene
Sowohl Katholiken wie Reformierte sahen im Humanisten einen Verbündeten und buhlten um ihn. Rom wollte ihn gar zum Kardinal küren. Erasmus jedoch schlug sich auf keine Seite. «Sein Interesse war es, die Gegensätze zu überwinden», sagt Martin Wallraff. Doch damals im konfessionell aufgeladenen Klima wurde Erasmus dafür angefeindet.

Nach seiner anfänglichen Freundschaft mit Luther mehrten sich die Meinungsverschiedenheiten, was schliesslich zum Bruch führte und in Luthers Ausspruch gipfelte: «Wer den Erasmus zerdrücke, der würget eine Wanze, und diese stinkt noch tot mehr als lebendig.» Für Wallraff ist Erasmus ein «Vater der Ökumene». Er betrachtete das Christentum als Bildungsreligion und -bewegung. Er war überzeugt, dass Bildung, Kultur und Lesefähigkeit die Grundlage des Glaubens bilden.


Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».


Zum Bild: Porträt des Erasmus von Rotterdam: Der Humanist lebte viele Jahre in Basel und legte den Grundstein für den Durchbruch der Reformation.
Hans Holbein d. J. / Wikimedia Commons

Tilmann Zuber, Franz Osswald / Kirchenbote / 6. Januar 2016

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