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Ein Begräbnis zum 279. Geburtstag

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09.07.2021
Die Stadtzürcherin Anna Lavater (1742-1815) ist gestern, just an ihrem 279. Geburtstag, bei der Kirche St. Peter feierlich rückbestattet worden. Und zwar ins Ehrengrab ihres berühmten Gatten, des Theologen, Philosophen und Schriftstellers Johann Caspar Lavater (1741-1801).

Auf einem Stuhl steht eine kleine Kiste aus Holz mit den Gebeinen von Anna Lavater, geb. Schinz (1742-1815). Daneben ein geöffnetes Grab und ein Blumenbouquet. Es donnert und blitzt. Trotz Unwetter und heftigen Regengüssen haben sich am gestrigen Donnerstagabend ein paar Dutzend Leute vor der Kirche St. Peter in der Altstadt versammelt, um einer bedeutenden Stadtzürcherin aus dem 18. Jahrhundert die letzte Ehre zu erweisen.

Ihre letzte Ruhe finden soll Anna Lavater im Ehrengrab ihres Gatten Johann Caspar Lavater, das 1882 an der Nordmauer des St. Peter für den berühmten Theologen, Philosophen und Schriftsteller (1741-1801) errichtet worden war. Allerdings ruht dieser gar nicht dort. Denn: Bei der Restaurierung des Grabes im Jahr 1973 stellte man fest, dass seine sterblichen Überreste «aus noch ungeklärten Gründen entweder gar nicht ins Grab überführt wurden oder irgendwann gar geklaut worden sind», wie der Anthropologe Hansueli Etter erklärte.

Der Weg aus der Schachtel
Die bei der Restauration zum Vorschein gekommenen Skeletteile liessen laut Etter vielmehr drauf schliessen, dass es sich um die Gebeine von Anna Lavater handeln müsse. Sie überlebte ihren Mann um gut vierzehn Jahre und wurde nach ihrem Tod im Kreuzgang des Fraumünsters beerdigt. Es sei anzunehmen, dass man ihre sterblichen Überreste nach der Aufhebung der Gräber im Fraumünster an diesen Ort verlegt hatte.

Nach einer genauen Analyse im Anthropologischen Museum der Universität Zürich bewahrte man Anna Lavaters Knochen dort die letzten Jahrzehnte in einer Schachtel auf. «Ein unwürdiger Zustand», so Etter. Bemühungen von verschiedenen Seiten hätten nun bewirkt, dass die sterblichen Überreste von Anna Lavater heute, just an ihrem 279. Geburtstag, feierlich zurück ins Ehrengrab ihres Mannes gelegt würden.

Doch wer war diese Anna Lavater eigentlich? Mit ihrer «sanften Präsenz» habe sie eine starke Wirkungskraft auf das Leben, Werk und Wirken ihres Mannes ausgeübt, sagte Ursula Caflisch-Schnetzler von der Sammlung Johann Caspar Lavater. In ihrem Referat zitierte sie aus einem Brief Lavaters an Goethe, in dem dieser seine Frau als «gutes, herzgutes, sanftes, Dauben ähnliches, lang und zart und reinlich gebildetes, geduldiges, unschuldiges Herzenslämmchen» beschreibt.

Mit der ganzen Kinderschar
Tatsächlich sei Anna Lavater, Tochter aus einer reichen Zürcher Kaufmannsfamilie, aber eine starke Frau gewesen, die in ihrem Leben viele Schicksalsschläge zu verkraften hatte, so die Wissenschaftlerin. Innerhalb von dreizehn Jahren brachte sie acht Kinder zur Welt, wovon nur zwei das Erwachsenenalter erreichten. Dennoch sei sie stets an der Seite ihres Mannes gewesen. Habe die ständig wachsenden Besucherströme kanalisiert – Lavater sei seiner literarischen Bekanntheit wegen zu einer eigentlichen Touristenattraktion geworden – und zusätzlich auch immer wieder fremde Personen aufgenommen.

Dass diese als «Stille im Land» bezeichnete Frau heute für einen kurzen Moment hervorgehoben werde, um sie als eine bedeutende Zürcherin des 18. Jahrhunderts zu ehren, sei sehr erfreulich, so Caflisch-Schnetzler.

Bevor die Holzkiste ins Erdloch verschwand, richtete Pfarrerin Cornelia Camichel Bromeis, die im August ihr Amt im St. Peter aufnehmen wird, ein paar Abschiedsworte direkt an Anna Lavater: «Bestimmt feierst Du jetzt da oben mit deinem Mann und deiner ganzen Kinderschar fröhlich Geburtstag», sagte sie mit Blick in den polternden Himmel.

Sandra Hohendahl-Tesch, reformiert.info

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