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Einen Kragen riskieren

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24.05.2016
Mit dem Erkennen der reformierten Pfarrperson im Alltag ist es so eine Sache: Sie trägt kein Kleidungsstück, das sie als solche kennzeichnen würde. Ein Collarhemd könnte Abhilfe schaffen, aber das textile Statement polarisiert. Obwohl: Der klerikale Kragen ist reformierten Ursprungs.

Bei den Reformierten geht es in Sachen Amtskleidung bescheiden zu: Die Pfarrperson trägt bei liturgischen Handlungen im Gottesdienst einen Talar – oder auch nicht. Und ob sie in der Sitzung der Kirchenpflege, bei der Seelsorge oder einer öffentlichen Veranstaltung Anzug oder Jeans trägt, ist weitgehend ihre Sache. Auf der Strecke bleibt das Erkennen ihrer Funktion auf den ersten Blick. Obwohl der Pfarrperson diese «Tarnung» manchmal auch ganz nützlich ist, hin und wieder wäre es praktisch, wenn sie schneller als solche wahrgenommen würde.

Abhilfe schaffen könnte das Tragen eines Collarhemdes, ein Hemd mit Stehkragen, bei welchem in der Aussparung an der Vorderseite ein weisser Kragen sichtbar ist. Collar tragen katholische Priester und Diakone, aber auch anglikanische, lutherische und methodistische Pfarrer im Ausland. Inzwischen findet die Textilie aber auch unter Schweizer Pfarrpersonen ihre Anhänger. Kirchenbundspräsident Gottfried Locher trägt es immer mal wieder. Und gar als «eines meiner Lieblingskleidungsstücke» bezeichnet sie der Bülacher Pfarrer Stephan Pfenninger Schait. Zum ersten Mal hat er das Hemd an einer interreligiösen Hochzeitsfeier getragen, die er zusammen mit einem Imam gestaltet hat. «Es war mir wichtig, dass ich neben dem Imam eindeutig als christlicher Geistlicher identifizierbar bin.» Eigentlich trage er Collar immer dort, wo er davon ausgehen müsse, dass ein Grossteil der Anwesenden ihn nicht kenne.

Applaus oder Tadel
Pfenninger Schait verwendet das Collar aber vermehrt auch als das, was es eigentlich ist: eine Strassenkleidung. Er gesteht, dass es ihn anfänglich «ziemlich viel Überwindung» gekostet hat, Collar zu tragen: «Ich fühlte mich wie ein wandelndes Glaubensbekenntnis.» Heute sieht er ganz klar die positiven Aspekte: «Mit dem Tragen des Collars trage ich ein Stück Kirche in die Öffentlichkeit.» Durch seine Erkennbarkeit würden sich immer wieder Gespräche ergeben, im öffentlichen Verkehr, beim Einkaufen oder in einem Café. Er wolle mit dem Collar nicht den Anspruch signalisieren, etwas Besonderes zu sein, sondern ganz einfach seine Verfügbarkeit demonstrieren: «Ich bin Seelsorger und nehme mir gerne Zeit für ein Gespräch.» Der zukünftige Flughafenpfarrer ist aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen überzeugt: «Sinnvoll eingesetzt kann das Collar die Sichtbarkeit der Kirche in der Öffentlichkeit stärken.»

Auch Carla Maurer, Pfarrerin der Schweizer Kirche in London, trägt gelegentlich Collar. Für Trauungen, Taufen und Abdankungen ist ihr der Talar zu formell, da wolle sie mehr Nähe schaffen. Im Collar sei sie «mehr Carla», aber immer noch als Pfarrerin erkennbar, im Talar «mehr Liturgin». Sie hat die Erfahrung gemacht, dass das Kleidungsstück polarisiert. Für die Engländer gehöre das Tragen des Collars fest zur Pfarrperson dazu. Hingegen wirke es auf Auslandschweizer eher irritierend: «Ihnen kommt das sehr anglikanisiert oder katholisch vor.» Und von den Schweizer Kollegen ernte man entweder Beifall oder Kritik: «Einige bewundern den Mut und finden, auch Reformierte sollten das öfters tragen, damit sie erkennbar sind, andere finden das sehr unreformiert.»

Reformierter Ursprung
Dieser Meinung ist auch der pensionierte Pfarrer Peter Koller. Es zeuge nicht von protestantischem Selbstbewusstsein, wenn sich Reformierte «mit dem Collar schmücken». Das sei reine Mimikry. «Wir sind Fachleute, keine katholischen Priester, keine geweihten Personen, die ihr Priestertum mit dem Collar sichtbar machen.» Trage man Collar, erliege man der Versuchung, «sakramentale Person sein zu wollen, die geheimnisvoll zwischen Gott und Mensch vermittelt». Koller meint, das reformierte Merkmal sei der Inhalt, da brauche es kein textiles Statement: «Natürlich sind wir bei ökumenischen Auftritten wenig kenntlich. Sei’s drum. Kennzeichnen sollte uns, was wir theologisch qualifiziert sagen.» Koller misst dem Kleidungstück dann aber auch nicht zu viel Gewicht zu: «Heilsentscheidend ist die Sache mit dem Collar nicht.» Es sei ein Accessoire, von dem man halten könne, was man wolle.

Bei allen Begründungen für und gegen das Tragen des Collars sollte eines nicht vergessen gehen: Gemäss Wikipedia soll der Kragen reformierten Ursprung haben. Er stamme aus der Church of Scotland, einer presbyterianischen Kirche, heisst es da. Die katholische Kirche habe den klerikalen Kragen erst 1967 übernommen, weil die Soutane, das knöchellange Obergewand mit den engen Ärmeln, bei den Priestern immer unbeliebter wurde.

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch»

Raphael Kummer / ref.ch / 24. Mai 2016

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