«10 Prozent zeigen ausgeprägtes egoistisches Verhalten»
Der Mensch ist weder gut noch böse. Jeder trägt zwei fundamentale Prinzipien in sich: die egoistische Selbstbehauptung und das Kooperationspotenzial. Während die egoistische Selbstbehauptung als Überlebensstrategie dient und oft mit Machtstreben oder sogar Gewalt verbunden ist, ermöglicht das Kooperationspotenzial komplexe soziale Strukturen, Staaten und Religionen. Als Menschen beherrschen wir das schmutzige Instrumentarium sehr, sehr gut.
Wir können aufgrund der egoistischen Selbstbehauptung fürchterlichste, grausamste Sachen machen, wir haben Waffen, wir können lügen, wir können betrügen, wir können Zerstörung anrichten.
Aufgrund unseres Verstands ist jedoch nicht nur die egoistische Selbstbehauptung enorm gesteigert, sondern auch unser Kooperationspotenzial ist viel ausgeprägter. Die meisten Menschen haben ja, Gott sei Dank, ein gesundes Mischungsverhältnis von beiden.
Ich gehe davon aus, dass etwa 10 Prozent der Menschen ein stark ausgeprägtes egoistisches Verhalten zeigen, oft gepaart mit manipulativen und skrupellosen Eigenschaften.
Die Frage, ob Menschen kriminell werden, weil es genetisch veranlagt ist oder sie durch ihr Umfeld geprägt wurden, lässt sich nicht pauschal beantworten. Ich habe Fälle erlebt, in denen Gewaltverhalten bereits im frühen Kindesalter sichtbar war, ohne dass das familiäre Umfeld eine erkennbare Rolle spielte. Gleichzeitig gibt es Menschen mit schwierigen Kindheiten, die trotzdem ein integres Leben führen. Neben genetischer Veranlagung und Umweltfaktoren spielen auch individuelle Entscheidungen eine Rolle.
Die Vorstellung, dass Kinder ein weisses Blatt Papier und durch gute Erziehung beliebig formbar seien, ist falsch.
Darüber hinaus ist der soziale Kontext entscheidend. Wer in einem Umfeld aufwächst, das Gewalt als Mittel der Konfliktlösung betrachtet, entwickelt mit höherer Wahrscheinlichkeit ein ähnliches Verhalten. Auch Gruppenzwang, soziale Isolation und wirtschaftliche Perspektivlosigkeit sind Faktoren, die zur Entwicklung krimineller Karrieren beitragen.
Viele glauben, dass härtere Strafen Verbrechen verhindern. In meiner Erfahrung ist das bei Persönlichkeitstätern, die risikorelevante Persönlichkeitsmerkmale in sich tragen, nicht der Fall. Diese Menschen lernen nicht, ihr Verhalten zu ändern, sondern lediglich, wie sie nicht erwischt werden. Was hingegen nachweislich hilft, sind Massnahmen, die in der Haftzeit eine echte Auseinandersetzung mit dem eigenen Verhalten fördern.
Strafen haben eine wichtige gesellschaftliche Funktion: Sie sorgen für einen Ausgleich zwischen Täter und Opfer und stärken das Vertrauen in das Rechtssystem.Daher müssen sie verhältnismässig und nachvollziehbar sein – zu milde Urteile sind ebenso problematisch wie überharte.
«10 Prozent zeigen ausgeprägtes egoistisches Verhalten»