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Bibel hören und lesen

97 Stunden: Der Bibelmarathon startet wieder

von Carmen Schirm-Gasser
min
25.09.2025
Von der Älggialp bis Spitzbergen: Esther Heiduschke, ehemalige Lehrerin aus Schaffhausen, hat zwei Bibelmarathons erlebt – stundenlang las und hörte sie die ganze Bibel, umgeben von Menschen aus aller Welt. Im November findet schweizweit ein Bibelmarathon statt.

Der Regen trommelt unaufhörlich auf die Zelte der Älggialp OW, mitten im geografischen Herzen der Schweiz. Der Boden ist durchnässt, kleine Rinnsale ziehen sich durch die Wiese, Nebelschwaden hängen schwer zwischen den Tannen. Wer hier oben sein will, muss sich den steilen Aufstieg antun – manche wandern, andere lassen sich mit dem Auto oder von einem Sennen hinauffahren. Doch wer einmal oben ist, vergisst den mühsamen Weg: 2023 fand hier der erste Schweizer Bibelmarathon statt.

 


Esther Heiduschke: «Die Bibel
im Ganzen zu lesen, verändert alles.»

 

Rund 150 Menschen aus allen Ecken der Schweiz haben sich versammelt – darunter Kinder, junge Erwachsene und Seniorinnen und Senioren. Über vier Tage verteilt lesen sie in 97 Stunden die gesamte Bibel. Esther Heiduschke, 67 Jahre alt, ehemalige Lehrerin aus Schaffhausen und Hallau, Mutter von drei erwachsenen Kindern und mit einem Katholiken verheiratet, sagt: «Es ist, als würde die Bibel selbst zu mir sprechen.»

Ein reformatorisches Anliegen

In einem der Zelte stehen Tische mit Lesepulten, an denen sich die Lesenden einfinden. Jeder liest so lange, wie er möchte. Dazwischen wärmt man sich die Hände an heissen Teetassen, plaudert leise, lacht kurz – dann geht es weiter, Abschnitt für Abschnitt, ohne Unterbruch. Zwei Zelte bieten Schutz vor Regen, Sonne und Kälte. Wer will, kann im neuen Berggasthaus übernachten – in Zimmern oder im Massenlager, wo auch eine über 80-jährige Teilnehmerin schläft.

Für Esther Heiduschke ist das Lesen der Bibel kein religiöser Pflicht­akt, sondern ein zutiefst beglückendes Erlebnis. «Normalerweise nehmen wir uns nur kleine Teile der Bibel vor und interpretieren sie – das ist gut und wichtig. Aber die Bibel im Ganzen zu lesen, verändert alles. Plötzlich erkennt man Querverbindungen, verborgene Muster, neue Einsichten entstehen.»

Pfarrer Roland Diethelm, reformierter Theologe und Schirmherr des nächsten Bibelmarathons in Schaffhausen, ergänzt: «Es ist ein sehr reformatorisches Anliegen, nicht nur einzelne Passagen zu lesen, sondern die ganze Schrift. Ich habe Respekt vor der Aufgabe, die Bibel ohne Unterbruch zu lesen – das ist eine enorme Herausforderung. Dennoch werde ich stundenweise mitlesen. Schwierige Abschnitte gehören dazu, gerade sie machen den Reichtum aus.»

In Spitzbergen die Bibel lesen

Nach der Älggialp führte Esthers Weg diesen Sommer nach Longyearbyen auf Spitzbergen, der nördlichsten ganzjährig bewohnten Stadt Europas, die zu Norwegen gehört. Dort machte die örtliche Pfarrerin den Anlass in der lokalen Zeitung bekannt und hängte Plakate in der ganzen Stadt auf. Bald fanden sich Einheimische ebenso wie Touristen von Kreuzfahrtschiffen in der Kirche ein. Die Bibel wurde spontan in 26 Sprachen gelesen – von Spanisch über Italienisch, Russisch und Altarabisch bis zu Norwegisch, Schwedisch und Deutsch. Heiduschke beschreibt ihre Erfahrung so: Sie verstand kein Wort, spürte aber, wie ihr Geist gestärkt wurde. «Während des Zuhörens beginnt ein innerer Dialog. Es war, als würde Gott die Worte direkt zu mir sprechen.» Drei Stunden las sie selbst, die übrige Zeit lauschte sie still, manchmal mit geschlossenen Augen, und liess den Klang der fremden Sprachen auf sich wirken. «Man spürte die Gemeinschaft, die Verbundenheit zwischen allen Lesenden und Zuhörenden – und vor allem die Gegenwart Gottes.»

 

Bibelmarathon

Der Bibelmarathon findet schweizweit von 31. Oktober bis 4. November als ökumenischer Anlass statt. Tag und Nacht lesen die Teilnehmenden die gesamte Bibel laut und ohne Unterbruch.

In Schaffhausen wird der Anlass in der St.-Anna-Kapelle und im Münster durchgeführt. Zwischen den Lesezeiten kann man individuell Pausen einlegen, Tee trinken, kurz plaudern – bevor es weitergeht. Auf einem Flipchart wird angezeigt, wo sich die Lesenden gerade befinden. Wer möchte, kann sich für feste Lesezeiten eintragen, spontanes Mitlesen ist ebenfalls möglich. Zuhörende sind jederzeit willkommen.

Die gemeinsame Abschlussfeier findet am 4. November um 19.30 Uhr in der St.-Anna-Kapelle statt. Träger der Veranstaltung sind die evangelisch-­reformierte Kirche, die christkatholische Kirche und die römisch-katholische Kirche.

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