«Gastfreundschaft statt Ökumene»
Kirchenbote: Herr Pindl, mit Ihrem Buch (siehe Kasten rechts) wollen Sie einen Beitrag zum Reformationsjubiläum leisten – auch im Hinblick auf die erstarrte Ökumene bezüglich Abendmahl. Was bedeutet Ihnen das Abendmahl?
Theodor Pindl: Im Abendmahl zeigt sich für mich der Kern der christlichen Botschaft: Leben teilen. Es ist weder magische Verzauberung noch ein Behältnis, das göttliche Gnade ausgiesst.
Es ist vielmehr ein Brennpunkt des göttlichen Reichtums, der mir zeigt, wer und wie Gott ist. Im Abendmahl spiegelt sich das universale Gesetz, dass Leben sich selbst hingeben muss, um neues Leben zu nähren. Dankbar das Mahl miteinander feiern, heisst vertrauen und hoffen, dass unser Leben für andere nahrhaft, fruchtbar, bereichernd ist. Wie Jesus Christus das lebendige Brot ist, sollen auch wir füreinander Brot sein.
Bei dieser Sicht auf das Abendmahl spricht kaum etwas gegen gemeinsame Eucharistie zwischen Protestanten und Katholiken. Wo liegt denn das Problem?
Für die meisten Protestanten und Katholiken, die ich nach ihrem Abendmahlsverständnis frage, wäre das gemeinsame Abendmahl auch kein Problem. Vor allem bei Katholiken entdecke ich immer wieder, wie nahe sie einem protestantischen Verständnis stehen, also einer – sagen wir es salopp – eher symbolischen Deutung. Auf der anderen Seite entdecke ich gerade auch bei Katholiken, wie weit sie von einem katholischen und erst recht einem protestantischen Verständnis entfernt sind, wenn sie die Eucharistie beinahe magisch verstehen. Offiziell – und ich beziehe das vor allem auf die katholische Kirche – ist man noch weit vom gemeinsamen Abendmahl entfernt, vielleicht weiter als vor 40 Jahren. Und es schmerzt schon, dass man es offiziell nicht einmal schafft, eucharistische Gastfreundschaft zu gewähren. Natürlich leben viele Kirchgemeinden in ihrer täglichen Praxis bereits das, was einmal auch offiziell die Zukunft sein wird. Aber im Sinne einer «ecclesia semper reformanda» ist es nach 500 Jahren an der Zeit, diese Gemeinden auch offiziell in ihrer Haltung zu bestärken und zu ermutigen.
«Ich halte das Reformationsjubiläum für eine einmalige historische Chance, die man nicht vorübergehen lassen sollte.»
Ihr Buch «Gastfreundschaft statt Ökumene» will da Impulse für die Zukunft geben. Was war der Anstoss zum Buch?
Ich fragte mich seit langer Zeit, wie der stotternde Motor der Ökumene wieder flott gemacht werden könnte. Und das sollte sich am besten im Reformationsjubiläumsjahr vollziehen; ich halte das Jahr für eine einmalige historische Chance, die man nicht vorübergehen lassen sollte. Absichtserklärungen, Erinnerungsveranstaltungen und ökumenische Gottesdienste zu Busse und Versöhnung: Das alles ist wichtig und wertzuschätzen. Aber dabei bleiben darf es nicht. Was jetzt ansteht, sind Taten. Können wir wirklich guten Gewissens 500 Jahre Reformation feiern, ohne die Kirchenspaltung wirklich zu beenden? In meinem Buch plädiere ich dafür, die Ökumene der kleinen Leute, das, was von vielen Kirchgemeinden, Gruppen und zahlreichen Frauen und Männern schon lange gelebt wird, zum Leitmotiv für einen Paradigmenwechsel in der Ökumene zu machen: Gastfreundschaft.
Sie meinen, Gastfreundschaft könnte die erlahmte Ökumene stärken oder gar ersetzen?
Gastfreundschaft ist durch und durch biblisch, ein kulturelles Universalprinzip und heute auch gesellschaftspolitisch das Topthema. Meine These ist: Wenn Ökumene durch Gastfreundschaft neu bestimmt wird und vor allem konkret gelebt wird, könnten wir endlich die ökumenische Gefangenschaft überwinden. Dazu müsste aus meiner Sicht die katholische Kirche einseitig auf die Protestanten zugehen. Auch wenn das katholische Kirchenrecht etwas anderes vorschreibt: Aus dem Evangelium heraus lässt sich nicht begründen, den Tisch für sich allein zu reservieren und andere auszuschliessen. Alles beginnt mit einem ersten Schritt. Das Schlüsselwort hierzu ist Gastfreundschaft, im Unterschied zum ziemlich verbrauchten und manchmal leider auch weichgespülten Paradiesbegriff Ökumene.
Wie lässt sich das konkret leben und umsetzen?
Grundsätzlich muss mit einem langen Atem dazu ermutigt werden, im Alltag und auch im Gottesdienst gastfreundlich zu handeln. Die Kirche ist ja kein Sperrbezirk, sondern das offene Haus des Vaters. Hilfreich dabei sind öffentlichkeitswirksame Aktionen, zum Beispiel das Projekt des WirkRaumKirche, im September 2018 an einem langen Tisch zwischen Dom und Vadiansdenkmal Brot und Wein miteinander zu teilen.
Interview: as | Foto: Tine Edel – Kirchenbote SG, April 2017
«Gastfreundschaft statt Ökumene»