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«Glauben der Kinder respektieren»

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01.01.2016
Der Religionsunterricht an der Primarschule ist beliebt bei den Kindern. Aber ihre Eltern stören sich zuweilen an gewissen Begleiterscheinungen.

Wenn am 12. August das neue Schuljahr beginnt, besuchen wiederum zahlreiche Kinder in Basel-Stadt den freiwilligen Religionsunterricht an der Primarschule und OS. Gemäss Peter Graber vom Rektorat für Religionsunterricht der Evangelisch-reformierten Kirche waren in den letzten Jahren durchschnittlich 75 Prozent der Kinder von der 1. bis zur 6. Klasse in der «Reli». Darunter seien auch viele Kinder aus nicht-christlichen Familien, so Graber. «Oft haben die Eltern eine pragmatische Haltung. Sie finden, es schade nichts, wenn ihre Kinder etwas über die Religion von hier lernen.»

Kirche und Staat getrennt
Basel-Stadt kennt die fast vollständige Trennung von Kirche und Staat. Die Arbeitsteilung in Bezug auf den Religionsunterricht an der Primarschule zuweilen in Anlehnung an die frühere Bezeichnung im Stadtkanton auch «Bibelunterricht» genannt ist klar geregelt: Der Kanton stellt die Zeitfenster und die Unterrichtsräume zur Verfügung und betreut Kinder bis und mit vierter Klasse, die von der «Reli» fernbleiben. Der Inhalt ist ausschliesslich Sache der Landeskirchen (evangelisch-reformiert und römisch-katholisch), welche die Religionslehrpersonen anstellen. Wortwörtlich aus dem kantonalen Schulgesetz: «Die Erteilung des Religionsunterrichts in den Schulen ist Sache der religiösen Gemeinschaften.» Grundlage für den Religionsunterricht ist ein von beiden Kirchen ausgearbeiteter Lehrplan.

Zuerst miteinander reden
Das Schulgesetz ist das Eine. Doch was ist, wenn das Kind mit einer Dächlikappe mit der Aufschrift «Jesus liebt dich» heimkommt? Geht es an, dass der Erlös eines Flohmarktes an der Schule an ein christliches Missionsprojekt geht? Darf im Schullager mit den Kindern vor dem Frühstück gebetet werden? Diese Kritikpunkte sind nicht einfach frei erfunden; sie sind dem «Interkantonalen Kirchenboten» von betroffenen Eltern zugespielt worden. In einem Fall hätten sie die Schulleitung um einen Gesprächstermin gebeten, doch sei nie eine Reaktion gekommen.

Kritikpunkte ansprechen
Ist der geschilderte Fall ein Einzel­phänomen im Stadtkanton? Was sollen Eltern tun, wenn sie mit solchen Vorkommnissen nicht einverstanden sind? Graber gibt zu bedenken, dass schulische Flohmärkte und Klassenlager in der Verantwortung der Schulleitung und der Klassenlehrperson liegen, nicht beim Religionsunterricht. «Man soll aber immer zuerst versuchen, die Kritikpunkte direkt mit der betreffenden Lehrerin oder dem Lehrer zu besprechen», rät Graber. Kommt man auf diesem Weg nicht weiter, könne man sich falls die Kritik eine Religionslehrperson betrifft ans kirchliche Rektorat wenden.

Unterschiedliche Reaktionen
Er selber erhalte etwa zwei bis drei Beschwerden pro Jahr. Es sei schon vorgekommen, dass sich die Eltern am «evangelikalen» Charakter des Unterrichts störten. Manchmal habe sich gezeigt, dass die Eltern früher selber schlechte Erfahrungen mit Religiösem gemacht hätten. Umgekehrt hätten Eltern schon kritisiert, dem Unterricht fehle die religiöse Dimension, es handle sich vielmehr um Ethikunterricht. Manchmal, sagt Graber, finde man zusammen eine einvernehmliche Lösung. Manchmal sei die Konsequenz, dass die Eltern ihr Kind aus dem Religionsunterricht nehmen.
Es gebe unter den Religionslehrpersonen schon welche mit einer «pietistischen Glaubenspraxis», erklärt der Rektor, dies sei grundsätzlich eine gute Ressource. Wichtig sei in dem Fall, dass sie ihren Glauben mit einem «offenen Welt- und Glaubenshorizont» verbinden: «Wir erwarten von unseren Lehrpersonen, dass sie dialogisch unterrichten und den Glauben der Kinder respektieren. Indok­trination ist fehl am Platz.» Stelle sich während des Bewerbungsverfahrens heraus, dass jemand «fundamentalistische Positionen» vertrete, könne dies in aller Regel im Gespräch geklärt werden und die betreffende Person komme nicht zum Einsatz an der öffentlichen Schule.

Kein «Flächenbrand»
«Die Kirchen sind allein verantwortlich für den Religionsunterricht an der Schule», bestätigt auch der Leiter Volksschulen im Erziehungsdepartement, Pierre Felder. Er wisse von keinem elterlichen Beschwerdefall: «Wenn es einen Flächenbrand gäbe, wüsste ich das», so Felder.
Das Basler Modell für den Religionsunterricht ist ein Sonderfall. Ist er gefährdet, wenn der Lehrplan 21 in diesem ist pauschal die Rede vom Fachbereich «Ethik, Religionen, Gemeinschaft» Fuss fasst? «Der Religionsunterricht von der ersten bis zur sechsten Klasse wird im bisherigen Rahmen weitergeführt», so Felder. «Die Kirchen gestalten ihn und er ist freiwillig.»



Rektorat für Religionsunterricht: Lindenberg 12, Basel, Tel. 061 690 28 20, rektorat@erk-bs.ch

Anna Wegelin

Links:
www.erk-bs.ch/rektorat-religionsunterricht

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