15 Jahre Dialog
Nico Rubeli klettert gerne. Meist an einer Kletterwand in einer Halle. Doch schon bald wird der 51-Jährige vermehrt Touren in den Alpen unternehmen. Der Basler wechselt vom Rheinknie ins Bündnerland. Nach 15 Jahren tritt Nico Rubeli als Präsident der Christlich-Jüdischen Arbeitsgemeinschaft beider Basel und als Projekt- und Studienleiter der Christlich-Jüdischen Projekte zurück und übernimmt das Pfarramt Filisur und Albulatal.
Gleichberechtigte Partner
Vor 15 Jahren wurden die Christlich-Jüdischen Projekte in Basel gegründet. In einem feierlichen Akt unterzeichneten sieben Kirchen, die jüdische Gemeinde sowie zwei Regierungsräte beider Basel die zehn Verträge, erzählt Nico Rubeli. Die Unterzeichnung ist für den Theologen ein Symbol, dass bei dieser Kooperation alle Partner gleichberechtigt sind. Juden wie Christen mussten den Themen, die man in Angriff nahm, zustimmen. So diskutierte man über das Sterben im Spital oder die Religion an den Schulen. In zahlreichen Jugendprojekten wurde zusammen gekocht, gegessen und ausprobiert. Mit dem «Zelt Abrahams» wurde das Projekt auch für die Muslime ausgeweitet.
Eigentlich wäre das gleichberechtigte und emanzipierte Zusammenleben von Christen und Juden selbstverständlich, stammen doch alle wichtigen Personen und Offenbarungen des Christentums aus dem Judentum, sagt Nico Rubeli. «Jesus, die Familie Jesu, die Lehrer und Schüler Jesu, die Jesusbewegung, der Fokus auf der Gottes- und Nächstenliebe, das Reich Gottes, die Mes-siasidee, die Gleichnisse oder der Umgang mit Menschen am Rande der Gesellschaft.»
Rubelis Aufzählung nimmt kein Ende. Für Christen sei deshalb der christlich-jüdische Dialog zentral, um sich selber entdecken und verstehen zu können. Nico Rubeli selbst schätzte die Zusammenarbeit mit Rabbinern und dem orthodoxen Judentum. Er studierte mit jüdischen Studenten den Talmud. «Das gab mir neue Ideen und Ansätze», erklärt der Pfarrer.
Nico Rubeli stellt fest, dass der Antisemitismus in den letzten Jahren zugenommen habe. Er vergleicht die heutige Situation gar mit der in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg. «Antisemitische Äusserungen, die früher als unanständig galten, sind wieder salonfähig», meint Nico Rubeli. «Man darf es wieder sagen und ist stolz darauf. Die Schonfrist, die jahrzehntelang nach der Shoah bestand, ist heute vorbei.»
Glauben steht unter Generalverdacht
Nico Rubeli ortet die heutige antisemitische Gefahr in der Perspektive der säkularen Gesellschaft. Alles Religiöse gelte bald einmal als gefährlich, fundamentalistisch oder fanatisch. Religiöse Minderheiten wie Juden, Muslime oder Evangelikale gerieten leicht in den Verdacht, fundamentalistisch zu sein, wenn sie ihre Feste und Traditionen einhalten und leben. «Permanent müssen sich religiöse Menschen heute für ihr Glaubensleben rechtfertigen», stellt Nico Rubeli fest.
Diese Sicht von aussen möchte aus der Religion ein Museum machen, in dem spirituelles Leben ausgestellt und am liebsten als lebloses Exponat fixiert würde. Und nicht-religiöse Menschen könnten sich ungestört der Deutungen über Religionen bemächtigen. Auch dies im Grunde eine Vision aus dunklen Zeiten. Die Politik greife diese Sicht auf und fordere, Religion müsste sich in der Gesellschaft integrieren. «Doch der Massstab ist vorgegeben», so Rubeli. «Besucht ein Teenager statt das Party-Leben eine religiöse Jugendgruppe, stösst dies auf Unverständnis.» Nico Rubeli plädiert für eine positive Sicht der Verschiedenheit. Erst dann erfahre man den Reichtum der anderen.
Zum Bild: Ort des Austauschs und der Freundschaft: Nico Rubeli vor der Basler Synagoge. | tz
Tilmann Zuber
15 Jahre Dialog