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666 – die Politik Satans

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19.01.2018
Die Aufklärung hat religiöse Reichsideologien und gegenseitige Dämonisierungen verdrängt, um Politik, Recht und Wirtschaft vernünftig zum Wohle aller Menschen zu gestalten — mit mässigem Erfolg. Sind die Analysen ungenau? Korrumpiert die Macht den Menschen? Oder gibt es unsichtbare Mächte, welche(r) sich Regierungen oder Organisationen bedienen, um das Projekt der Menschwerdung zu stören? Trotz Aufklärung tauchen solche Verschwörungstheorien immer wieder auf.

Das Deutungsmuster, das alten und aktuellen Verschwörungstheorien zugrunde liegt, findet sich in Abwandlungen in fast allen Reli-gionen. Im christlichen Kulturkreis ist es stark geprägt von der Apokalypse. 

Freimaurer als Hort des Teufels diskreditiert
Bis in die Zeit der Aufklärung haben auch die Kirchen den Teufel gerne ins Spiel gebracht – sowohl zur Deutung unpässlichen Verhaltens Einzelner als auch zur Kennzeichnung politischer Feinde. Mit ganzen Heeren wurde der Antichrist bei den Kreuzzügen bekämpft, Luther brandmarkte Papst und Kaiser als die beiden Tiere aus dem Abgrund. Und die katholische Kirche diskreditierte die Freimaurer als Hort des Teufels, da deren freiheitliche Ideale die christliche Reichsidee unterliefen.  

Siegeszug der Vernunft?
Das Zeitalter der Vernunft brachte scheinbar Besserung. Die Satansvorstellungen wurden religionsgeschichtlich als Symbole entschärft. Politik sollte nicht mehr dämonisiert, sondern sachlich analysiert und kritisiert werden. Kriege wurden trotzdem geführt, zerstörerischer als je zuvor. Vor allem die Gräuel des Nationalsozialismus haben die Frage aufgeworfen, wie weit die Herrschaft der modernen Vernunft durch Dämonien unterlaufen werden kann. Tatsächlich griff Hitler alte Verschwörungstheorien auf, wonach die Juden die Weltherrschaft an sich reissen wollen. In der Propaganda wurde das Judentum zum «Antichristen» stilisiert, den es zu besiegen gilt. Umgekehrt tauchte auch im Widerstand und in der Deutung der Völkermorde die Metapher vom Tier aus dem Abgrund auf. 

Der neue Satanismus
Als Provokation gegen die christliche Verteufelung des Sinnlichen schrieb Nietzsche sein Buch «Der Antichrist». In der Folge haben sich immer wieder Gegner der christlichen Moral mit dem «Antichristen» identifiziert oder sich als Anhänger Satans organisiert, sei es als Satanskirche oder kleine Zirkel. Durch »Gurus» dieser Szene wie Aleister Crowley oder Anton Szandor LaVey wurde der Satanismus auch populär und in der Rock- und Popkultur vielfältig variiert. 

Das Ringen um Jerusalem erinnert daran, dass sowohl das Christentum als auch der Islam die Vision der globalen Herrschaft Gottes von Israel beerbt haben wollen.

Vor allem christliche Fundamentalisten sehen darin nicht nur Rebellion gegen traditionelle Moral. Sie warnen vor satanischen Einflüssen in Subkulturen wie Punk, Black Metal, Gothic oder Dark Electro. Traditionalisten aller Religionen sehen auch in der sexuellen Befreiung, dem Feminismus oder der grünen Bewegung Satan am Werk, der Menschen von der göttlichen Ordnung abbringt. 

Anbetung des Tieres 
Das Tier aus dem Abgrund gibt sich in der Apokalypse nicht als Satan aus – obwohl der Leser erfährt, dass Satan ihm seine Macht verleiht. Die Menschen beten das Tier an, da es Wunder vollbringt. Der Antichrist steht für eine Macht, welche Menschen von ihrer gottgewollten Entwicklung abbringen und zur Anbetung irdischer «Götzen» verführt. Durch die Medientätigkeit evangelikaler Prediger ist in den USA die Angst vor einer antichristlichen Weltherrschaft grösser als in Europa. Bis zum Verfall der Sowjetunion galt der Kommunismus als Brutstätte Satans, der die Christenheit und Israel vernichten will. 

Ringen um Jerusalem 
Das Ringen um Jerusalem erinnert daran, dass sowohl das Christentum als auch der Islam die Vision der globalen Herrschaft Gottes von Israel beerbt haben wollen. Ein jüdisches Israel wird darum konfliktträchtig bleiben, wie es auch ein christlich oder islamisch definiertes Reich wäre. Die Nationen, auch Israel, versuchen sich darum säkular zu begründen – wobei eine «gleichmacherische» Säkularität wiederum in populistischen Verschwörungstheorien verteufelt wird. Dementsprechend würden die Menschen durch die Technisierung und Digitalisierung weltweit überwacht, gleichgeschaltet und den führenden Konzernen und Medien unterworfen. 

Umstrittene Dämonologie
Sobald das Bild vom Tier aus dem Abgrund nicht mehr auf die Konkurrenz der Religionen angewendet wird, kommt das in den Blick, was die ganze Menschheit in ihren Entwicklungszyklen schaden könnte. Die Apokalypse, die jeweils im siebten Zyklus die Vollendung zeigt, bezeichnet mit der Zahl 666 jene Macht, welche der gottgewollten Entwicklung der Menschheit entgegensteht. Was das ist, hat die säkulare Vernunft mangels einer «Dämonologie» immer neu sachlich zu ergründen. Wie weit eine moderne Dämonologie wie in der Anthroposophie (siehe Kasten) weiterhilft, ist gerade bei den Kirchen umstritten.

 Leserbriefe zum Thema

Text: Andreas Schwendener, Foto: Screenshot Katharina Meier  – Kirchenbote SG 

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