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Als kritscher Glaube lebensgefährlich war

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01.01.2016
Der neue Frauenstadtrundgang durch die Luzerner Altstadt erzählt Geschichten aus dem religiösen Alltag vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert.

Margret Spyri bezahlte ihre Überzeugung mit dem Leben: 1582 ergriff die Beromünsterin während der Messe in der Luzerner Hofkirche das Wort und erklärte, dass sie ein grösseres Wissen als der Pfarrer und die Jesuiten besitze. Sie behauptete, dass die Sündenvergebung durch den Papst unmöglich sei, es das Fegefeuer nicht gebe und Heilige nicht angebetet werden müssten. Aussagen, die sie ins Gefängnis brachten. Dort verstarb sie kurz darauf noch bevor ihr der Prozess gemacht wurde, der wohl mit der Todesstrafe geendet hätte.
Das Schicksal der mutigen Margret Spyri ist eine von sieben Geschichten, die auf dem neuen Frauenstadtrundgang «Grüess Gott» erzählt werden. Während rund 90 Minuten nehmen die Organisatorinnen die Teilnehmenden mit: Quer durch die Luzerner Altstadt und durch den religiösen Alltag der letzen Jahrhunderte.
Auf dem Streifzug durch die Vergangenheit gibt es viel zu entdecken: Noch am ehesten bekannt sein dürfte die Tatsache, dass ehrbare Bürger im 15. Jahrhundert unverheiratete Frauen darstellten, wenn sie bei den Osterspielen auf dem Weinmarkt in die Rolle der Maria Magdalena schlüpften. Ein Geheimnis, dass gelüftet wird ist, warum ein Marienbild wundersamerweise an der Fassade des Crivellihauses am Jesuitenplatz erschien, wo es bis heute sichtbar ist. Bekanntschaft machen die Teilnehmenden auch mit der Jüdin Berta Erlanger Herz. Sie gründete als Vorsitzende des Israelitischen Frauenvereins Luzern während des ersten Weltkriegs eine Ferienkolonie für kriegsbetroffene deutsche Kinder. Oder es wird an die Redaktorin Flora Laetitia Lusser erinnnert, die Anfang der 1930er Jahre den «Bund der Weggefährtinnen» gründete. Die liberale katholische Mädchenorganisation bekam bald durch die straffer organisierte Pfadi-Bewegung Konkurrenz und geriet in Vergessenheit.

Vor 20 Jahren gegründet
«Unser Anspruch ist, Alltägliches zu hinterfragen und unbekannte Winkel einer bekannten Stadt auszuleuchten», erklärt Laura Fasol, Vorstandsmitglied des Vereins Frauenstadtrundgang. Vor 20 Jahren rief eine Gruppe von Studentinnen und Historikerinnen den Verein ins Leben. Auch für den neuen religionsgeschichtlichen Rundgang recherchierten die Historikerinnen in Bibliotheken und Archiven und führten Interviews mit Zeitzeuginnen. «Es interessieren uns insbesondere der Alltag der Frauen und das Zusammenleben der Geschlechter», erklärt Fasol. So sind denn auch Männer bei den Rundgängen selbstverständlich willkommen.

Nächste Rundgänge: Freitag, 1. und 22. Juni, 19 Uhr;
Sonntag, 17. Juni, 10.30 Uhr.
Treffpunkt vor der Jesuitenkirche.

Annette Meyer zu Bargholz

Links:
Weitere Termine: www.frauenstadtrundgang.ch

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