Das grösste Geschenk ist gratis
Gratisangebote sind verdächtig, alle, die sich nicht erwischen lassen wollen, reagieren ablehnend, misstrauisch, vermuten Schund. Und da es heute darauf ankommt, schlau zu sein, noch lieber durchtrieben und ganz sicher nicht blööööd, hat man mit Religion nichts am Hut. Oder wenn, dann mit einer exotischeren als der geerbten.
Ich habe das Weihnachtsgesumse in der Stadt gern. Den Duft der Backwaren, die Kerzen, die beleuchteten Schaufensterauslagen, die vielfarbigen Bändel, die Posaunen der Heilsarmee, die Leute, die sich mit Taschen durch die Innenstadt schieben, die Buben vor den Modelleisenbahnen, die Mädchen, die überall Pink sehen, die Trommeln, die lieber schon Fasnacht hätten, die Weihnachtsmusik, die kitschige und die klassische, die klingelnden Trams, die sich verspäten, die Tannenzweige, die Mädchen, die Spielzeugeisenbahnen bestaunen, die Marronibrater, die feuerroten Weihnachtsmänner, den Nieselregen. Ich kriege kalte Füsse und ein warmes Herz.
Jesus ist gratis. Weihnacht ist gratis. Ja, schon. Nur dass ich mich dafür ein bisschen anstrengen muss. Nein, nicht mit Bravsein. Auch nicht mit einer moralischen Anstrengung. Obwohl gegen sie nichts einzuwenden wäre. Nur muss man dazu nicht unbedingt christlich eingestellt sein, das geht auch anders. Die Anstrengung besteht vielmehr darin, nichts zu tun.
Wir sind so angefüllt bis oben auf. Mit Unsinn, mit wertvollem Gut, mit Aufgaben und Ausgaben, mit Verpflichtungen und Unterhaltungsstress. Individuell verschieden die Mischung, aber bei allen? Bei vielen! Zudeckend, lähmend, ermüdend. Sich davon frei zu machen, das ist, was es braucht.
Das ist nicht kostenpflichtig. Es ist einfach, nur nicht ganz leicht. Es braucht eine mystische Anstrengung, einen Hauch davon wenigstens. Genug Abstand. Ein bisschen Buddhismus vielleicht; für die gesagt, die es exotisch lieben. Weite. Ein Weihnachtslied kanns auch sein. Und wenn es mitten im Weihnachtsgesumse wäre. Nichts ist ausgeschlossen. «O dass mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer, dass ich dich möchte fassen.» Das ist eine Zeile meines liebsten Weihnachtsliedes.
Pfarrer Hans Adam Ritter
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