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Die Langsamkeit des Reisens wiederentdeckt

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01.01.2016
Von den Fragmenten einer Jakobsmuschel aus dem Hochmittelalter bis zum Pilgerpass von Hape Kerkeling: Die Ausstellung «Pilgern boomt» gibt einen Einblick in die historischen und kulturellen Hintergründe des Pilgerns.

Sie ist allgegenwärtig, die Jakobsmuschel, die den Weg in Richtung Santiago de Compostela weist. Man findet sie aufgemalt auf Schildern, in metallener Form eingelassen in den Strassenbelag und in echt an den Rucksäcken der zahlreichen Pilger und Pilgerinnen. Früher, als es keine Comestibles-Geschäfte gab, wo man sich die Muschelschale schon vor dem Start besorgen konnte, war die Jakobsmuschel der Beweis dafür, dass man das Ziel der langen und beschwerlichen Reise erreicht hatte. Überreste von Jakobsmuscheln aus der Zeit um 1200 habe man beispielsweise bei Grabungen im Oberbaselbiet gefunden, erzählt Dominik Wunderlin, stellvertretender Direktor des Museums für Kulturen in Basel und Kurator der Ausstellung «Pilgern boomt». Die Muschelfragmente sind ebenso zu sehen wie der Pilgerpass des deutschen Komikers Hape Kerkeling, der sich 2006 auf den Jakobsweg gemacht hat und dessen Reisebericht «Ich bin dann mal weg» zum Bestseller geworden ist.

Ein Urbedürfnis des Menschen
Santiago de Compostela ist neben dem Heiligen Land und Rom eines der drei grossen Ziele christlicher Pilger und Pilgerinnen. Daneben gibt es zahlreiche kleinere und grössere Wallfahrtsorte, wie Mariastein und Einsiedeln, Fatima und Lourdes, Altötting und Tschenstochau. Die Ausstellung im Museum der Kulturen beschränkt sich auf das europäische Christentum, Pilgern ist jedoch ein universales Phänomen. Dominik Wunderlin weist darauf hin, dass das Pilgern der kleinste gemeinsame Nenner der verschiedenen Weltreligionen sei. Das sich mit den Füs­sen zu einem Heiligtum hinwenden, um einer höheren Macht näher zu sein, ist ein Urbedürfnis des Menschen.
Wunderlin ist davon überzeugt, dass es sich beim Boom, den das Pilgern seit etlichen Jahren erlebt, nicht um einen vorübergehenden Trend handelt. Die Wiederentdeckung des Pilgerns wie auch des ganz profanen Wanderns entspringt wohl der Sehnsucht nach Entschleunigung und Vereinfachung im gnadenlos komplexen und schnellen Leben der Postmoderne. Längst nicht jeder, der sich heutzutage auf eine Pilgerreise begibt, tue dies aus religiöser Motivation, es komme aber auch vor, dass Menschen durch das Pilgern zurück zur Kirche finden, berichtet Wunderlin. Wer eine lange Pilgerroute unter die Füsse nimmt, hat nicht zuletzt eine sportliche Herausforderung zu meistern. Vorbereitung und Ausrüstung heutiger und früherer Pilger sind ebenso Thema der Ausstellung wie Pilgerheilige und -zeichen sowie Handwerke und Gewerbe, die vom Pilger- und Wallfahrtswesen profitieren.


«Pilgern boomt»: Ausstellung im Museum der
Kulturen, Münsterplatz 20, Basel, bis 3. März 2013, Infos zu Führungen und Rundgängen: www.mkb.ch

Regula Vogt Kohler, Redaktorin Kirche Heute

Links:
www.mkb.ch

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