Ein Fest für die anderen Kinder
Geht alles gut, erhält Laavanja Sinnadurai mit 27 ihr Anwaltspatent. Doch das beste Jahr ihres Lebens, erzählt die 25-jährige Bernerin und Tamilin, sei das zu Ende gehende: «An Silvester werde ich einfach nur noch feiern.»
2015 war sie in Kanada zum 50. Hochzeitstag ihrer Grosseltern, erhielt das Masterdiplom in Rechtswissenschaften in Bern, feierte den 50. Geburtstag ihrer Mutter, schloss ihre Weiterbildung zur Mediatorin «im interkulturellen und interreligiösen Kontext» ab und wurde in die eidgenössische Kommission für Migrationsfragen aufgenommen alles sehr wichtige und erfreuliche Ereignisse für die junge Frau.
Feiern mit 30 Kindern
Jetzt sei sie «ziemlich am Anschlag», sagt Laavanja Sinnadurai was ihr aber nicht anzusehen ist an diesem Feierabend mitten in der Arbeitswoche im Dezember. Und trotzdem organisiert die Juristin am Sonntag, dem vierten Advent, eine Weihnachtsfeier für 30 tamilische Kinder. In ihrem Elternhaus im bernischen Niederscherli, wo sie selbst wohnt.
«Wir haben einen geschmückten Baum, werden Spiele aus der Ludothek spielen, tamilische Lieder abspielen und singen, tanzen, es gibt Süssigkeiten», freut sich die Hinduistin. Lange Zeit tanzte sie selbst Baranathyam, einen ursprünglich südindischen Tempeltanz. Aber warum Weihnachten feiern mit tamilischen Kindern?
Der traurige Vater
Es ist eine berührende Geschichte, die Laavanja Sinnadurai nun erzählt. Ein Gespräch mit einem tamilischen Vater habe sie auf die Idee gebracht. Sie traf ihn spät am Abend auf dem Heimweg. Er war müde von der strengen Arbeit als Hilfskoch, und traurig. Sein zehnjähriger Sohn hatte ihm vorgeworfen, er sei kein guter Vater.
Er sei eben wenig zu Hause und wenn, dann oft zu Zeiten, in denen die Kinder nicht da seien. Auch an Weihnachten müsse er arbeiten. Und die Kinder verstünden es nicht, warum sie nicht wie ihre Mitschülerinnen und -schüler feiern und nach den Ferien davon erzählen können.
Diese Situation ist Laavanja Sinnadurai vertraut: Sie hatte selbst die tamilische Schule in Köniz besucht und kennt auch heute noch viele Kinder. Im vergangenen Sommer beispielsweise inszenierte sie mit ihnen Schneewittchen als Theaterstück.
Die dankbaren Eltern
Nach dem Gespräch mit diesem Mann beschloss sie, eine Weihnachtsfeier zu organisieren. «Als ich das herumerzählte und die Kinder einlud, kam es immer wieder zu halbstündigen Gesprächen; die Leute freuen sich sehr und sind dankbar für das Angebot», sagt Sinnadurai.
Das ist auch für sie selbst ein Grund, sich so einzusetzen: die Dankbarkeit. «Ich habe von meinen Eltern sehr viel Offenheit und Liebe erhalten. Sie haben mir meine Ausbildung ermöglicht und viel Freiraum gegeben, zu werden, was ich jetzt bin. Das will ich weitergeben.» Und Weihnachten sei schliesslich ein guter Moment, Dankbarkeit zu zeigen.
Offen sein
Dass es ein christliches Fest ist, spielt für die Hinduistin keine entscheidende Rolle. «Ich persönlich wende mich an Gott, wenn ich Fragen habe. Wenn es mir gut oder schlecht geht. Aber nicht alles im Hinduismus heisse ich gut.» Durch ihre Weiterbildung habe sie auch Elemente in andern Religionen gefunden etwa im Buddhismus und bei den Aleviten , die ihr sehr wichtig seien, sagt die 25-Jährige: «Ich finde, dass auch die Kinder alle Religionen kennenlernen sollen. Und dafür offen sein können.»
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».
Zum Bild: Sie ist in der Weihnachtszeit vor allem einfach dankbar: Laavanja Sinnadurai auf dem Berner Bahnhofplatz.
Foto: Marius Schären/reformiert.info
Marius Schären / reformiert.info / 18. Dezember 2015
Ein Fest für die anderen Kinder