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Ein Pfarrer als Gesamtkonzept

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01.01.2016
Film, Literatur, Theater, Glaubenskurse, Events: Es gibt nur wenig, das Bruno Waldvogel in den vergangenen 18 Jahren als Pfarrer in der Gellertkirche nicht angepackt hat. Sein Wirken strahlte auf die Stadt ab.

Gesamtkonzept Quartier
Das Gellertquartier scheint wie geschaffen für Bruno Waldvogel. Der südliche Teil des Quartiers wurde einst neu konzipiert und gebaut, als Gesamtkonzept: mit Schulhäusern und mit der Kirche. Bruno Waldvogel erkannte schnell die Chance, den Vorplatz als Ort der Begegnung zu nutzen. «Der Platz war für uns und das Quartier ein Glücksfall, dass die Kirche sozusagen im Zentrum stand. Von einer Zweiteilung des Gellerts spürt Bruno Waldvogel nichts, zumal er selbst ein Secondo ist. «Natürlich gibt es hier Villen und Leute aus dem Daig. Die Durchmischung der Quartierbevölkerung stimme aber, international durchmischt seien beide Teile des Gellerts, sagt Waldvogel. Unser Vorplatz erfüllt die Funktion eines Dorfplatzes. Das konnten wir immer wieder nutzen zum Beispiel mit dem Kaffi unterm Turm.»

Zum Bild: Von Gott reden in allen Formen: Bruno Waldvogel (mit grauem Jackett) in einer Aktion für sein Erlebnis­theaterstück «Exodus Wüstentrip zu Gott». | zVg

Gesamtkonzept Gellertkirche
Die Gellertkirche ist keine Gemeinde, die es theologisch allen recht machen will. «Ich habe in London gelebt, da gab es die Anglikanische Kirche mit einer Highchurch (hoch liturgisch geprägt) und einer Lowchurch (pietistisch geprägt). Die Gellertkirche würde ich eher bei der Lowchurch ansiedeln», sagt Bruno Waldvogel. Er ist der Meinung, dass man verschiedene kirchliche Ausprägungen zulassen muss. «Deshalb empfinde ich den Schritt des Kirchenrats hin zu Profilgemeinden sehr gut.»
Die Gellertgemeinde hat eines: «Wir haben eine pietistische Ausrichtung, pflegen also eine persönliche Frömmigkeit, bei der die Beziehung zu Jesus Christus im Zentrum steht», umschreibt Waldvogel seine ehemalige Kirchgemeinde. Als Stärke bezeichnet Waldvogel auch das gute Mitarbeiterteam und das enorme Engagement der vielen Freiwilligen. «Zudem habe ich das Glück, eine starke Frau an meiner Seite zu haben, die grossartig mitgetragen hat.» Innerhalb dieses Glaubensspektrums bietet die Gellertkirche ein umfassendes Angebot für die Kleinsten bis zu den Betagten. Anlässe, die je nach Zielpublikum eher traditionell oder «modern» gestaltet sind. Waldvogel: «Das kann man durchaus als Gesamtkonzept bezeichnen.»
Dass die Gemeinde hinter diesem Konzept steht, beweist der Förderverein. «Mein leider sehr jung verstorbener Kollege, Pfarrer Roger Rohner, hatte diesen Verein ins Leben gerufen. Nach bescheidensten Anfängen generiert der Förderverein inzwischen einen Umsatz von über einer Million Franken.» Dazu Waldvogel: «Wenn ein Vorhaben mit Vision und Herzblut verbunden ist, dann ist es auch möglich, das nötige Geld aufzubringen. Viele Menschen warten nur auf etwas Mutiges.» Mit der Generierung der Drittmittel beschreitet die Gellertkirche schon seit langem jenen Weg, den der Kirchenrat der Evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt als ein Ziel des nächsten Sparpakets 2025 definiert.

Gesamtkonzept Waldvogel
Fällt der Name Bruno Waldvogel, dann gibt es viele Anknüpfungspunkte, die mit ihm in Verbindung gebracht werden können. Zum Beispiel das Musical «Basileia» oder der gleichnamige Comic. Auch Hörspiele, Bücher oder Theaterstücke stammen aus seiner Feder. Waldvogel betätigt sich auf vielen Gebieten. Er war einer der ersten reformierten Pfarrer, der Alpha-Kurse durchführte.
«Ich bin neugierig», sagt er von sich selbst «und bin an vielem interessiert.» Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere trägt den Namen «Risiko». Waldvogel ist überzeugt, dass sich ohne Risiko nur wenig verändern lässt. Ein gutes Beispiel dafür ist die «Nacht des Glaubens». «Vom Basileia-Musical waren noch 50 000 Franken übrig. Diese setzten wir für die Idee zur Nacht des Glaubens zur Verfügung», erzählt Waldvogel. «Wir wussten: Es reicht genau für ein Jahr, um damit eine vorbereitende Anstellung zu finanzieren. Wenn dann niemand aufspringt, ist alles verloren.» Ganz knapp mit Stichentscheid beteiligte sich die evangelisch-reformierte Kirche mit weiteren 100 000 Franken am Event. «Zusammen mit dem Ideengeber Beat Rink stellten wir ein Programm zusammen, das von den Dimensionen her sehr mutig war. Das Wagnis hat sich gelohnt!»
Nicht mit allem habe er indes Erfolg gehabt. Sein letztes Projekt namens «START» erlitt Schiffbruch. Die Idee, dass starke Kirchgemeinden anderen Gemeinden unter die Arme greifen, dort sozusagen einen Steckling pflanzen und mit Rat und Tat die Gemeinde stärken, fand keinen Anklang. «In London ging das. Basel ist vielleicht dafür zu kleinräumig strukturiert. Die Absage tat weh. Aber wahrscheinlich ist die Zeit einfach noch nicht reif dazu.»
Das hält ihn indes nicht ab, mit einem Ausspruch Zwinglis weiterhin für Mut zu werben: «Tut um Gottes Willen etwas Tapferes!» Das Resümee des Pfarrers: «Wir durften hier ein paar Sachen bewegen. Manches ist etwas besser, manches etwas weniger gut gelungen. Der Basler Kirche wünsche ich in diesen herausfordernden Zeiten viel Segen und Weisheit!» Waldvogel übernimmt ab November in Olten den Gemeindeteil Wangen.

Franz Osswald

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