Helfen, zum Entscheid zu finden
Frau Wyrsch, ist eine Abtreibung Privatsache?
Claudia Wyrsch-Villiger: Rechtlich gesehen ja. Der Entscheid über einen Schwangerschaftsabbruch gehört zu den höchstpersönlichen Rechten. Und 2002 hat das Stimmvolk mit dem Ja zur Fristenregelung festgelegt, dass eine Frau selbstbestimmt innerhalb der ersten zwölf Wochen eine Schwangerschaft straflos abbrechen darf, wenn sie eine Notlage geltend machen kann.
Soll ein Schwangerschaftsabbruch demnach auch selbst finanziert werden müssen?
Nein. Einerseits ist die Krankenkasse eine Sozialversicherung, die solidarisch von allen getragen wird, ungeachtet der eigenen Weltanschauung. Anderseits benachteiligt die Initiative die Frauen, indem sie ihnen allein die Kosten eines Abbruch aufbürdet und die Männer aus ihrer finanziellen Mitverantwortung entlässt.
Wie würde sich ein Ja auf die Tätigkeit der «elbe» auswirken?
Ich befürchte vor allem, dass Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch nicht finanzieren können, auf billige, medizinisch fragwürdige Angebote ausweichen.
Weshalb entscheiden sich Frauen, eine Schwangerschaft abzubrechen?
Wir haben vergangenes Jahr rund 160 schwangere Frauen beraten; Abbruch ja oder nein war etwa bei jeder dritten ein Thema. Die Gründe dafür haben mit der Lebenssituation zu tun. Zum Beispiel glaubt die Mutter, dem Kind nicht optimale Bedingungen für eine gesunde Entwicklung bieten zu können. Jemand steckt mitten in einer Ausbildung. Oder es fehlt am Geld.
Wie erleben Sie die Frauen, die einen Abbruch erwägen?
Sie befinden sich in einer absoluten Notsituation. Keine Frau erkundigt sich bei uns bloss danach, wo sie einen Abbruch vornehmen lassen kann. Ich erlebe vielmehr Frauen, die um einen Entscheid ringen. In einem Moment können sie sich vorstellen, die Schwangerschaft fortzuführen, im nächsten sind sie voller Angst.
Wie berät die «elbe»?
Wir sind eine neutrale und unabhängige Beratungsstelle. Es geht nicht darum, was wir denken. Wir begleiten die Hilfe suchende Frau vielmehr in ihren Überlegungen, wir fragen: Was wäre, wenn ...?, wir nehmen Ängste und Unsicherheiten auf und informieren, welche Unterstützung möglich ist. Die Frau soll und muss am Ende selbst entscheiden.
Interview:Dominik Thali
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