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Lichter gegen die Angst

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01.01.2016
Die Nacht der Lichter nach der Taizé-Liturgie in Zürich wurde zur Gedenkfeier für die Opfer der Terroranschläge von Paris. Der reformierte Kirchenratspräsident und der katholische Generalvikar, ein Imam und ein Rabbiner setzten im Grossmünster Zeichen des Friedens und der Hoffnung in angstvollen Zeiten.

«Wir feiern die Nacht der Lichter nach der Nacht des Terrors», sagte Pfarrer Christoph Sigrist am Abend des 14. November im bis auf den letzten Platz gefüllten Grossmünster in Zürich. Er hatte sich dafür eingesetzt, dass die ohnehin angesetzte ökumenische Taizé-Feier zum interreligiösen Zeichen gegen den Hass und die Abgründe des Fanatismus wurde. Durchgeführt wird die jährliche Nacht der Lichter jeweils von den Jugendbeauftragten der katholischen und der reformierten Kirche in der Stadt Zürich.

Kluge Worte
Anwesend war auch der Imam der bosnischen Gemeinde in Zürich, Sakib Halilovic. In seiner eindrücklichen Ansprache verurteilte er die Anschläge scharf auch im Namen der muslimschen Gemeinschaften in der Schweiz, die er zur Vorsicht mahnte, wenn sie nun wieder vermehrt mit Misstrauen konfrontiert sind. Beide Seiten stünden da mit ihren Speeren und Schwertern. «Lasst sie uns in den Boden rammen!» Dass sich der Imam zur Beteiligung an diesem christlichen, stark liturgisch geprägten Gottesdienst bereit erklärte, war ein starkes Zeichen. Seine Worte waren in einer denkbar schwierigen Situation klug gewählt.

Ebenso eindrücklich war der Beitrag des Rabbiners Marcel Yair Ebel. Er erinnerte daran, dass seine Israelitische Cultus Gemeinde letzte Woche der Progromnacht des 9. November gedacht hat. Auch in der Fürbitte, an der er sich zusammen mit Christoph Sigrist, dem reformierten Kirchenratspräsidenten Michel Müller und Generalvikar Josef Annen beteiligte, rief er zum gemeinsamen Widerstand gegen Fremdenhass auf. Müller bat um Gottes Wirken, das Gute zu stärken und das Böse zu überwinden. Und Annen, der die katholische Kirche in Zürich vertrat, schloss die Fürbitte: «Christus erbarme dich unserer Zeit.» Das anschliessend gesungene «Kyrie» entfaltete an diesem Abend eine eigene Dringlichkeit. Wie auch die in der Liturgie zitierten Worte Jesu von Liebe und Vergebung ganz in die Aktualität hineinsprachen.

Für den Frieden

So brannten in dieser Nacht der Lichter die Kerzen im Gedenken für die Opfer des Terrors in Paris und der Kriege, vor denen unzählige Menschen auf der Flucht sind. Und zugleich brannten sie als Zeichen dafür, dass an diesem Samstagabend im Grossmünster viele Menschen zusammenfanden, die trotz allem der Angst und dem Tod nicht das letzte Wort lassen wollen, sondern in der Dunkelheit das Licht der Hoffnung anzünden. Den Repräsentanten der Muslime, Juden, Katholiken und Reformierten gelang es, über Konfessionsgrenzen und Religionsgrenzen hinweg zusammenzustehen und für Menschlichkeit einzustehen.

Zuvor hatten der Interreligiöse Runde Tisch und das Zürcher Forum der Religionen in einer gemeinsamen Erklärung ihre Betroffenheit und ihr «tiefes Entsetzen» über «das Werk von verblendeten und gewissenlosen Mördern» ausgedrückt. Die Religionsvertreter mahnen vor pauschalen Schuldzuweisungen und Rachegefühlen: «Der erklärte Krieg der Terroristen darf unsere Köpfe und Herzen nicht verbittern und die Religionen nicht gegeneinander aufbringen.» Sie betonen eindringlich, was auch die Feier am Abend prägte: «Lasst uns miteinander und mit allen Menschen guten Willens eine grosse Koalition der Menschlichkeit bilden. Und ein starkes Bündnis gegen die Barbarei.» Der Interreligiöse Runde Tisch und das Zürcher Forum der Religionen unterstrichen damit, was am Abend im Grossmünster erfahrbar wurde: Wer wahrhaftig glaubt, will den Frieden.


Zum Bild: Die Nacht der Lichter nach der Nacht des Terrors: Kerzen im Grossmünster Zürich.
Foto: Felix Reich / reformiert.

Felix Reich / reformiert. / 16. November 2015

Links:
Botschaft Interreligiöser Runder Tisch

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