Mit Angst vor Religion auf Stimmenfang
Die Illustration ist plakativ, die Stimmung düster: Auf den Plakaten schauen unter dem Aufruf «Stopp Islamisierung» drei Frauen aus dem Sehschlitz ihres Nikab, in der Mitte ein bärtiger Mann mit Mütze. Sämtliche Kleidungsstücke sind schwarz, das Rot im Hintergrund wirkt aggressiv.
Die Eidgenössisch-demokratische Union (EDU) geht so im Kanton Zürich auf Stimmenfang. Sie hat eigens für ihre vierte Liste zu den nationalen Wahlen eine Kampagne lanciert. Doch ihre Plakate würden zerstört und niemand berichte darüber, beklagt sich die Partei auf der Kampagnen-Website. Dieses Schweigen komme einer Begünstigung der Zerstörungen gleich. Das sei «skandalös».
Strategisch
«Es war ein strategischer Entscheid, diese Kampagne zu starten», gibt Wahlkampfleiter Thomas Lamprecht zu: «Mit der zusätzlichen Liste wollen wir an den Wahlen punkten.» Die EDU will keine «Parallelgesellschaft», keine öffentlich-rechtliche Anerkennung muslimischer Verbände, keine Burkas, Polygamie, Mädchenbeschneidung, keinen Heiratszwang, keine Ehrenmorde und Scharia-Richter.
Dass die gesetzliche Handhabe schon vorhanden ist, um diese Forderungen zu erfüllen, weiss Lamprecht: «Es braucht keine neuen Gesetze. Aber wir müssen die bestehenden bewahren und schauen, dass sie nicht unterlaufen werden.» Als Beispiel nennt der EDU-Wahlkampfleiter auf Anfrage das Vorhaben der Zürcher Regierungsrätin Regine Aeppli vor vier Jahren, Weihnachtslieder in Schulen zu verbieten das aber nicht umgesetzt wurde.
Problematisch
Aus der Sicht kirchlicher Verbände ist die Stossrichtung der Kampagne heikel. Die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA), deren Mitglieder hauptsächlich freikirchliche Gemeinden sind, bezeichnet den Titel «Stopp Islamisierung» als «problematisch».
Die meisten angesprochenen Punkte seien in der Schweiz «grossmehrheitlich anerkannt und unbestritten», teilt der Medienverantwortliche Thomas Hanimann mit. «Wir dürfen Andersgläubigen nicht wegen ihres anderen Glaubens weniger wertschätzend begegnen», sagt er.
Schliesslich sei es eine Stärke eines freiheitlichen Staates, die vielfältigen Religionsgemeinschaften in die Gesellschaft zu integrieren solange sich diese an den demokratischen und rechtsstaatlichen Grundprinzipien orientierten. Aus Sicht der SEA sei aber ein Augenmerk auf das Verbot von Konversionen innerhalb von Subkulturen zu richten, gibt Hanimann zu bedenken: «Ein Glaubenswechsel muss möglich sein.»
Stigmatisierend
Anne Durrer, Kommunikationsbeauftragte beim Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (SEK), hält nicht viel von der Kampagne. Sie schrecke mit Umständen auf, die es hier gar nicht gebe. «Die Kampagne zielt auf Ängste. Es wird eine ganze Religion stigmatisiert. Konstruktiver wären konkrete Vorschläge und Gespräche.» So wie es der Kirchenbund beispielsweise im Rat der Religionen tue.
Dass Integration zielführender ist als Angstkampagnen, habe sich klar gezeigt, sagt Anne Durrer: «Das weiss man unter anderem von England und Frankreich. Und Arbeit und Lebensperspektiven sind für die Integration am effektivsten.»
Wahlempfehlungen gibt es aber weder von der SEA noch vom SEK. Die Allianz ruft zwar auf zum Wählen, verweist aber auf Instrumente wie smartvote.ch, statt Personen zu nennen. Es gebe in allen Parteien Kandidierende, die durch ihre Achtung vor Gott, persönliche Integrität und politisches Verantwortungsbewusstsein gute Parlamentarierinnen und Parlamentarier wären, begründet Thomas Hanimann dieses Vorgehen.
Auch für den Kirchenbund wäre es «praktisch nicht machbar», in jedem Kanton ideale Kandidierende zu suchen, sagt Anne Durrer. Ausserdem: «Wir äussern uns zu Themen, nicht zu Personen.»
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».
Zum Bild: Die EDU findet es «skandalös», dass die Medien die Zerstörung der Plakate verschweigen.
Foto: zvg/stopp-islamisierung.ch
Marius Schären / reformiert.info / 13. Oktober 2015
Mit Angst vor Religion auf Stimmenfang