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Sie waren eine «Quelle des städtischen Wohlstands»

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01.01.2016
Der Kantonsrat will in der nächsten Sparrunde den Kirchen die Staats-beiträge kürzen, die auf historischen Rechtstiteln beruhen. Historiker Walter Wolf über die Geschichte des ehemaligen Kirchenvermögens.

Als kürzlich bekannt wurde, dass die Schaffhauser Regierung im Rahmen ihres Sparprogramms den jährlichen Staatsbeitrag an die drei Landeskirchen von vier auf drei Millionen Franken kürzen und die Indexklausel abschaffen wolle, regte sich Widerstand. Gegen diese Vorschläge wurde ins Feld geführt, dass ein Teil des Staatsbeitrags als Abgeltung für historische Rechtstitel geleistet werde Dieser Anteil sei gesetzlich garantiert und dürfe nicht geschmälert werden. Was hat es mit den so genannten historischen Rechten auf sich?

Güter dienten der Besoldung der Pfarrer
Seit der Reformation hat der Stadtstaat Schaffhausen viele Kirchen- und Klostergüter da-runter Gebäude, Ländereien, Jagd- und Fischereirechte an sich genommen. Im Gegenzug bezahlte er aus den Erträgen des erworbenen Kirchenguts die zuvor vom kirchlichen Eigentümer entrichteten Pfarrgehälter. Für diese Leistung des Staates, auf die die Pfarreien einen historisch begründeten Rechtsanspruch hatten, hat sich allmählich der Begriff «historische Rechtstitel» eingebürgert.
Worin bestand im Einzelnen das verstaatliche Kirchengut? Vom Kloster Allerheiligen erwarb der Stadtstaat das Klosterareal rund um das Münster, das Eschheimertal, den Griesbacherhof, das Klosterfeld und weitere Hochflächen auf dem Randen, den Geisberg und den Reinhartwald, ferner Grafenhausen im Schwarzwald, das Schlösschen Wörth und die Fischereirechte im Rheinfallbecken. Vom Frauenkloster St. Agnes gelangten das heutige Altersheim am Kirchhofplatz und die Agnesenschütte in staatliche Hände.
Vom Klarissenkloster Paradies kam der rechtsrheinische Grundbesitz auf dem Reiat und bei Löhningen-Guntmadingen zu Schaffhausen. Und als in den Napoleonischen Kriegen das bisher zürcherische Stein am Rhein zu unserem Kanton geschlagen wurde, erwarb sich der neue Gebietsherr das Klosterareal von St. Georgen, den Wolkenstein und den Herrentisch sowie die Fischereirechte von Stein bis zur Bibermühle. Vom Domkapitel Konstanz schliesslich gelangten ausgedehnte Kirchenpatronate im Klettgau und in Thayngen-Barzheim in staatliches Eigentum.
Die Schaffhauser Obrigkeit konnte nicht beliebig über das erworbene Kirchengut verfügen; denn dieses war vorrangig an die Entlöhnung der Pfarrer gekoppelt. Auch wurde der kirchliche Grundbesitz nicht mit dem unmittelbaren Staatsgut verschmolzen. Es fand also keine kalte Enteignung statt. Hingegen leisteten die säkularisierten Kloster- und Kirchengüter einen Beitrag an die territoriale Ausformung des Kantons Schaffhausen, da ehemalige kirchliche Herrschaftsrechte zu solchen des Staates geworden waren. Bei der Trennung von Stadt und Kanton im Jahre 1832 wurde das Kirchengut zwischen diesen beiden Körperschaften aufgeteilt.
Vor genau dreissig Jahren erfuhr die historisch gewachsene Verbindung von Staat und Kirche eine grundlegende Veränderung. Damals entledigte sich der Kanton der Pflicht zur Entlöhnung der Pfarrer und delegierte diese Aufgabe an die Kirchen. Zudem wurde das Kirchenvermögen in das Staatsgut einverleibt.
Im Gegenzug führte ein vom Volk angenommenes Gesetz die Neuerung ein, dass der Kanton jährlich einen an den Teuerungsindex gebundenen Staatsbeitrag an die Landeskirchen bezahle. Dabei wurde präzisiert, dass ein Teil dieses Betrags «aufgrund der historischen Rechtstitel» erfolge. Diese Bestimmung beinhaltet eine Besitzstandsgarantie für die Kirchen. Denn sie ist an den Passus gebunden: «Die auf historischen Rechtstiteln beruhenden Verpflichtungen des Staates bleiben gewahrt.» Auf diese Garantie beruft sich heute der eingangs erwähnte Widerstand gegen einen massiven Abbau der Staatsleistungen an die Kirchen.



Begehrte Güter
Drei Aufsätze von Walter Wolf und Christoph Buff schildern die Geschichte des Staatsbeitrags an die Kirchen. Mit interessanten Erkenntnissen. So haben gemäss dem Historiker Karl Schib die Kirchen­güter, die sich der Staat nach der Reformation einverleibte, zum Wohlstand der Stadtbürger beigetragen: «Wenn die Anteilnahme an der religiösen Umgestaltung auf Seiten des Staates eher lau zu sein schien, so war der Griff nach dem Klostergut geradezu leidenschaftlich», schreibt Schib.

Walter Wolf

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