Stille Gemeinde im Dachstock
Sogar der Pfarrer merkt meist nichts von ihrer Anwesenheit. Dabei lebt auf dem Estrich der 900-jährigen Kirche Hemmental die mit 40 Fledermäusen grösste Langohr-Kolonie im Kanton. Sie ziehen dort im Sommer versteckt in Ritzen und Winkeln ihre Jungen auf. Erstaunlich, wie geräuschlos Fütterung und erste Geh- und Flugversuche vor sich gingen, meint Pfarrer Beat Wanner und preist die «ideale Nachbarschaft». Einzig die kleinen Kotkegeli wiesen auf die tierische Gemeinde im Dachstock hin. Dabei wären die 5 Zentimeter kleinen Säugetiere durchaus sehenswürdig. Die Flugakrobaten haben die längsten Ohren der Welt im Vergleich zur Kopfgrös-se. Im Schutz der Dunkelheit jagen sie Insekten und Käfer, beherrschen dabei auch den «Rüttelflug», das Stillstehen in der Luft. In Acht nehmen müssen sie sich vor Eulen und Waldkäuzen, die ihnen nachstellen. Die Braunen Langohren werden bis 20 Jahre alt und bleiben ihrem Standort treu wenn sie nicht aus Not ausziehen müssen. Im Winter suchen sie Unterschlupf in Ritzen und Höhlen.
Ideale Lebensbedingungen
Hansueli Alder ist Projektleiter für Fledermausschutz bei Pro Natura Schaffhausen. Er setzt sich für das Überleben der Fledermausarten ein. «In Hemmental mit vielen Waldungen und Hängen mit Büschen finden die Braunen Langohren ideale Lebensbedingungen», sagt er. Die nachtaktiven Tiere bräuchten Hecken, Bäume, Bachläufe und Dunkelheit, um sich zu orientieren. Damit sie etwa beim Bau neuer Quartiere nicht vertrieben würden, sollte man die Erhaltung solcher Biotope bereits bei der Raumplanung einbeziehen.
Fledermauskästen in Lohn
Gerade weil der Mensch die nachtaktiven Nachbarn kaum wahrnimmt, merkt er nichts von ihrem Aussterben. «Die Zersiedelung bewirkt, dass seit den 80er-Jahren die Fledermäuse an vielen Orten vertrieben wurden», sagt Alder. Im Kanton Zürich seien bereits zwei Drittel der Langohr-Quartiere verschwunden. Auch im Kanton Schaffhausen haben die Langohren die Kirchen von Hallau, Beringen, Neuhausen und Lohn verlassen. Indem man alte und heutige Fotos vergleiche, versuche man herauszufinden, was die Tiere vertreibe. Bei der Renovation der Kirche Lohn wurden extra Fledermauskästen angebracht.
Bevölkerung informieren
Jetzt will der kantonale Fledermaus-schützer die Bevölkerung mit den kleinen Flugtieren in Hemmental bekannt machen. Im Juni und im August können Interessierte die Braunen Langohren beobachten. Am 17. Juni hält Pfarrer Beat Wanner einen Familiengottesdienst, in dem die stille Gemeinde im Dachstock im Mittelpunkt steht. Wer will, darf auf den Estrich klettern. Es gelte, die Tiere als Teil der Schöpfung zu bewahren, sagt der Pfarrer.
Einmal machte Beat Wanner doch persönlich Bekanntschaft mit den stillen Gemeindemitgliedern. Als er frühmorgens aus der Haustür trat, stand er plötzlich mitten in einem Schwarm. «Sie jagten die Insekten an der noch warmen Hauswand», glaubt er. Und weist darauf hin, dass in Hemmental die Langohrkolonie ungefähr gleich viele Seelen umfasse, wie die Kirchgemeinde Kirchgänger. Beiden gelte es Sorge zu tragen.
Kirche Hemmental
Rund um die Fledermaus:
Familiengottesdienst: Sonntag, 17. Juni, 10 Uhr
Beobachtungen: 29. Juni, 20.3022.30 Uhr;
18. August, 19.3021.30 Uhr;
24. August, 19.1521.15 Uhr
Barbara Helg
Links:
Anmeldung für Abendveranstaltungen: www.pronatura-sh.ch
Stille Gemeinde im Dachstock