Vergelts Gott - falsch verstanden
Dass man im Pfarrhaus ab und zu unbürokratisch einen Batzen oder einen Teller Suppe bekommt, wusste nicht nur zu Gotthelfs Zeiten manch armer Schlucker im Lande. Der Ruf des freigiebigen Pfarrhauses hat sich bis heute zu halten vermocht. Offenbar weit über die Landes- und Religionsgrenzen hinaus.
Davon jedenfalls muss man ausgehen, wenn man die Schelmengeschichte hört, die gegenwärtig in bernischen Landen die Runde macht. Eine Geschichte, welche die Landeskirche nun bewogen hat, eine Warnung an sämtliche Pfarrhäuser auszusenden.
Der Bittsteller
«Seit zwei Jahren», so die Mitteilung an die gesamte Pfarrschaft, «ist im bernischen Kirchengebiet ein Mann aktiv, der sich meist M. H. H. nennt». Dieser gebe sich als Somalier oder Inder aus und bitte die Kirchgemeinden um finanzielle Unterstützung in der Höhe von 1500 bis 2000 Franken, damit er sich Papiere für eine Heirat beschaffen oder den Militärpflichtersatz berappen könne.
Der Mann tauchte bisher vorzugsweise vor den Türen ländlicher Pfarrhäuser auf und erzählte dort seine traurige Geschichte. Das hat anscheinend in einem Fall auch bereits funktioniert. Eine Pfarrperson hat dem Bittsteller ein Darlehen gewährt und ... nie mehr etwas von dem Fremdling gehört.
Das Problem
Dass die sprichwörtliche Pfarrhaus-Grosszügigkeit derart dreist ausgenützt werde, sei ein relativ neues Phänomen, sagt Hans-Martin Schär, der Medienverantwortliche der Berner Kirche, auf Anfrage. Und der Fall für die Kirchenleitung «ziemlich heikel». Man wolle ja nicht Misstrauen säen oder gar Ängste schüren, aber anderseits treibe da ganz offensichtlich ein Betrüger sein Unwesen, vor dem man die Pfarrschaft warnen müsse. Denn ihre spontane Hilfsbereitschaft solle ja nicht missbraucht werden.
Das Missverständnis
Und was sagt die Polizei zum Fall? Die eingeschaltete Strafbehörde mochte offenbar nicht aktiv werden. Sie liess durchblicken, sie werde nicht aktiv, denn diese Lüge sei allzu «durchschaubar». Die Berner Kirche hat deshalb den Fall unter ihre Fittiche genommen. Sie übergab den Fall ihrer Rechtsabteilung. Dort werden jetzt Hinweise gesammelt bzw. Auskünfte erteilt über das angezeigte Vorgehen. Auf dass nicht noch mehr Schelme den Spruch «Vergelts Gott» missverstehen.
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».
Zum Bild: Sprichwörtliche Grosszügigkeit der Kirche falsch verstanden.
istockphoto
Rita Jost / reformiert.info / 4. August 2015
Vergelts Gott - falsch verstanden