Baselland, Basel-Stadt, Luzern, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug

Wirbel um Paragraf 20

min
01.01.2016
Fünf Jahre Vorbereitung nun gilt es ernst: An zwei ausserordentlichen Sitzungen hat die Synode mit der Beratung der neuen Kirchenverfassung begonnen. Einige Paragrafen sind äusserst umstritten.

Neue Reformierte Kirchenverfassung
Er kam erst ganz zum Schluss der eineinhalbtägigen Beratungen an die Reihe, aber beherrschte von der ersten Stunde an die Diskussion: Paragraf 20 der neuen Kirchenverfassung. Er besagt, dass eine Kirchgemeinde nicht mehr als 50 Prozent der Mitglieder der Landeskirche in sich vereinigen darf. Falls doch, kann die Synode eine Aufteilung beschliessen.
Gemünzt ist der Paragraf auf die Kirchgemeinde Luzern. Finanziell und personell ist sie «Mehrheitsaktionärin» in der Kantonalkirche. Mit 60 Prozent aller Mitglieder und 70 Prozent der Mitgliederbeiträge (Steuern) kann sie die Politik der Kantonalkirche nachhaltig beeinflussen.
In der Vernehmlassungsversion war der strittige Paragraf noch nicht enthalten. Einige Synodale aus der Kirchgemeinde Luzern sprachen deshalb bereits in der Eintretensdebatte von «Staatsstreich» und wollten eine Rückweisung des Verfassungsentwurfs erreichen. «Es besteht ein Neuordnungsbedarf der Kirchgemeinden, das hat die Vernehmlassung ergeben, konterte Synodalratspräsident David Weiss. Das Problem des Gemeindeungleichgewichts existiere seit Jahrzehnten und auch in der Vernehmlassung seien keine Lösungsvorschläge dazu eingegangen. Der Synodalrat habe sich darum entschieden, auf diese Weise eine Diskussion anzuregen.

Emotionale Diskussion
Unter anderem Vertreter der Fraktion Land setzen sich für das Eintreten und damit für eine Diskussion über die herrschenden Grössenverhältnisse ein: «Es braucht Bestimmungen über Veränderungen», so Werner Schneider, Entlebuch. Uli Walter, Sursee, verglich den Konflikt zwischen Kantonalkirche und Kirchgemeinde Luzern mit einem «alten Ehepaar, das sich streitet». Man könne den Streit vertagen, dann schwele er aber weiter. Oder man trage ihn aus: «Die Synode muss das heisse Eisen anpacken», so seine Meinung.
Als «zutiefst undemokratisch und als massiven Eingriff in die Gemeindeautonomie», wertete Lukas Gresch, Luzern, den Vorschlag des Synodalrats. Die Problematik der Kirchgemeinde Luzern sollte nicht in der Verfassung gelöst werden, damit schaffe man eine Sonderregel. Eine Fortsetzung der Diskussion um Paragraf 20 und weitere findet in der nächsten Synode am 3. Dezember statt.
Moderne gegen traditionelle Sprache
Die neue Kirchenverfassung soll das geltende Recht in möglichst verständlicher Sprache vermitteln. Wie diese aussieht, war Gegenstand verschiedener Diskussionen in der Synode. So beginnt die geplante Präambel mit «Im Vertrauen auf die Liebe Gottes, die Gnade Jesu Christi und das Wirken des heiligen Geistes . . .». Dies «zementiere ein antiquiertes Gottesbild» und bestehe aus «Metaphern, die heute nicht mehr verstanden und nur subjektiv interpretiert werden», befand der Synodale Arno Haldemann, Kriens. Mit seinem Antrag auf Änderung konnte sich der Vertreter einer jüngeren Generation von Synodalen allerdings nicht durchsetzen.
Der Missionsbefehl Jesu ist durch die Evangelisten überliefert, doch heutzutage sorgt der Begriff «Mission» bei vielen Menschen für Unbehagen. Während der Synodalrat diese als Auftrag der Kantonalkirche in der Verfassung festschreiben wollte, war die Mehrheit der Synodalen für eine Streichung des Worts. «Unter dem Begriff ist in der Geschichte zu viel Negatives passiert», fasste Trudi Dinkelmann, Kriens, zusammen.
Völlig unbestritten in der Diskussion war hingegen Paragraf 9. Mit der neuen Verfassung werden wohl künftig bereits 16-Jährige in kirchlichen Fragen abstimmen dürfen.



Fahrplan Kirchen-Verfassung
Die 1. Lesung der Verfassung wird am 3. und, falls nötig, am 13. Dezember fortgesetzt.
Die Sitzungen im Kantonsratssaal Luzern beginnen um 8.30 Uhr
und sind öffentlich.
13. Mai/17. Juni 2015:
2. Lesung der Verfassung in der Synode
2. Hälfte 2015: Volksabstimmung über die Verfassung
2017: Inkrafttreten der neuen Kirchenverfassung



Zum Bild: Nachdenkliche Gesichter an der Synode: Besonders die vorgeschlagene Grössenbeschränkung für Kirchgemeinden sorgt für Aufregung. Träte sie in Kraft, würde dies das Ende der heutigen Kirchgemeinde Luzern bedeuten. | Anderhub

Annette Meyer zu Bargholz

Unsere Empfehlungen

Weihnachtszeit, Wichtelzeit

Weihnachtszeit, Wichtelzeit

Christkind und Samichlaus haben Konkurrenz bekommen: Wichtel Finn schlägt für die Migros die Werbetrommel. Doch warum erobert ein ursprünglich skandinavischer Troll die Herzen der Schweizer?
Gemeinsam beten – zu intim?

Gemeinsam beten – zu intim?

Beten ist für viele fast so intim wie das, was im Schlafzimmer passiert, schreibt Pfarrerin Anna Näf in ihrem Gastbeitrag. Warum das Gebet einen geschützten Rahmen braucht – und wieso selbst sie als Pfarrerin manchmal Gebetshemmungen hat.