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2070 werden mehr Muslime als Christen auf der Welt sein

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15.03.2016
Die Religionslandschaft der Welt verändert sich in den nächsten Jahrzehnten rapide. 2070 werden erstmals mehr Muslime auf dem Planeten gezählt werden als Christen. Das ist das Resultat einer umfassenden demographischen Studie des renommierten US-Instituts PEW Research Center. Der Leiter der Studie Conrad Hackett nennt die Gründe.

Sechs Jahre lang hat Conrad Hackett mit seinem Team vom renommierten PEW Research Center aus den USA demographische Daten aus der ganzen Welt zusammengetragen. Mit der umfassenden Datensammlung von Geburt- und Sterblichkeitsrate, von den Alterszusammensetzung unterschiedlicher Länder bis hin zu den Migrationsdaten haben die Statistiker die religiöse Weltkarte des Jahres 2050 vermessen.

Als die Daten aus 2500 Quellen in den Computer eingespeist wurden, hat ein Resultat vor allem international für Schlagzeilen gesorgt: 2070 wird es erstmals mehr Muslime als Christen auf der Welt geben. Im eigentlichen Zieljahr der Studie, dem Jahr 2050, wird das Christentum nach den Voraussagen der US-Forscher immer noch die Nase vorn haben: 2,9 Milliarden Menschen bekennen sich dann zur christlichen Bibel, während sich 2,8 Milliarden Menschen glaubensmässig auf den Koran berufen.

Hackett referierte vergangene Woche am Zentrum für Religion und Politik der Universität Luzern und stellte sich bei diesem Anlass dem Interview.

Was ist das markanteste Resultat Ihrer Studie, die den demographischen Wandel zwischen 2010 und 2050 für die verschiedenen Weltreligionen abbilden will?
Conrad Hackett: Ganz sicher ist das die Entwicklung der muslimischen Weltbevölkerung. Denn nach unserer Berechnung wird 2070 erstmals der Islam das Christentum an Zahl der Gläubigen übersteigen.

Und was ist der Grund für diese Entwicklung?
Der Haupttreiber ist ganz klar die Geburtenrate. Bis auf den europäischen Kontinent wird in allen Erdteilen die Bevölkerung zunehmen. Aber die höheren Geburtenraten in muslimischen Gesellschaften wird diese Bevölkerung schneller wachsen lassen. Derzeit liegt der weltweite Durchschnitt der Kinderzahl pro Frau bei 2,5 Kindern, bei den muslimischen Frauen hingegen bei 3,5 Kindern.

Nun die Welt verändert sich schnell. Seit Sie Ihre Studie abgeschlossen haben, sind Hunderttausende von Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan nach Europa gekommen. Ob die muslimischen Flüchtlingsfrauen in einer neuen sozialen Umwelt weiterhin so viele Kinder auf die Welt bringen, da kann doch ein großes Fragezeichen gesetzt werden.
Der Flüchtlingsstrom von Syrern nach Europa zeigt ganz gut die Unschärfen unserer Prognose auf. Kriege und Katastrophen, politische Umstürze und Migrationswellen können die demographische Entwicklung beeinflussen. Unsere Prognose für den Anteil der muslimischen Wohnbevölkerung in Deutschland ist mit diesen Ereignissen schon jetzt Makulatur geworden. Aber im Weltmassstab gehen wir davon aus, dass die Muslime zur grössten Weltreligion heranwachsen werden.

Migration ist aber ein unberechenbarer Faktor, der in den nächsten Jahrzehnten noch stärker zu gewichten sein wird.
Das ist kaum zu bestreiten. Mexikaner verändern in der zweiten und dritten Generation ihre Beziehung zur katholischen Kirche. Ebenso können Muslime ihre Bindung zum Islam verändern.

Wer ist denn überhaupt statistisch gesehen ein Muslim? Ist dies ein Gläubiger, der alle religiösen Vorschriften einhält, fünf Mal am Tag betet, den Ramadan begeht und die Pilgerreise nach Mekka unternimmt?
Diese Journalistenfrage kommt immer wieder. Aber die Grundlage unserer Studie bildet einfach das, was einer von sich aus selbst bekennt. Es genügt also, dass sich jemand bei einer Umfrage oder bei der Volkszählung mit dem Islam oder mit dem Christentum identifiziert.

Wie sieht der prognostizierte Trend eigentlich für Europa und seine Christenheit aus?
Hier schlägt der demographische Faktor am meisten zu Buche. Denn Europa ist der einzige Kontinent, der nicht mehr wächst, sondern schrumpft. Noch 1910 lebten weltweit von drei Christen zwei in Europa, 2050 wird es nur noch ein Sechstel sein. Die regionale Verteilung des Christentums wird sich also völlig umschichten. Da Afrika in den nächsten Jahrzehnten weltweit das stärkste Bevölkerungswachstum verzeichnet, werden dort südlich der Sahara beinahe vier von zehn Christen wohnen. Heute sind es 24 Prozent. Im schrumpfenden Europa werden die Christen mit schätzungsweise 65 Prozent in der Mehrheit bleiben. Andererseits wächst gerade in Europa die Gruppe der religiös nichtgebundenen Menschen am schnellsten. In Frankreich beispielsweise wird diese Gruppe der Nichtreligiösen um 2050 größer sein als die der Christen.

Die gesamte Studie ist verfügbar unter: www.pewforum.org/2015/04/02/religious-projection-table/

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

Delf Bucher / reformiert. / 16. März 2016

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