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«Lassen Sie die Kirche im Dorf»

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01.01.2016
Etappensieg für die Kirchen: In der ersten Lesung kürzte das Parlament den Staatsbeitrag weit weniger als es die Regierung will. Der kirchliche Kompromissvorschlag hat in der zweiten Lesung eine Chance, glaubt Kirchenrats-präsident Frieder Tramer.

Es war schliesslich eine Mehrheit von links bis bürgerlich, die sich für die Landeskirchen engagierte. Sie trat für die Wertschätzung der Leistungen ein, die die Kirchen für die Gesamtgesellschaft erbringen. Diese seien so selbstverständlich geworden, dass wir sie teilweise gar nicht mehr als Leistung der Kirchen wahrnehmen, sagte SP-Fraktionschef Werner Bächtold. Andreas Frei (SP) skizzierte die Zukunft: Eine Million sparen könne man nur mit riesigen Einbus-sen bei den Leistungen. Diese Lücken müsse man später wieder schliessen.
Hier hakte auch die frühere städtische Sozialreferentin Jeannette Storrer (FDP) ein: Sie kritisierte, dass beim Vorschlag des Regierungsrates nicht klar werde, wie unter dem Strich mit den Kürzungen wirklich Einsparungen erzielt werden könnten. «Man muss sich mit den Kirchen an den Tisch setzen und verhandeln», forderte sie und betonte, dass der Staat gegenüber den Kirchen in einem speziellen Verantwortungsverhältnis stehe.
Die rechte Ratsseite sowie Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel entgegneten, es sei das Eigenverständnis der Kirchen, Gutes zu tun, und dafür müsse man ihnen nicht notwendig so viel Geld geben. Christian Heydecker (FDP) riet den Kirchen, statt für Notleidende Spenden für sich selber zu sammeln. Theoretisch argumentierte Christian Ritzmann (JSVP), dessen Antrag, noch mehr zu sparen, unterlag. Der Staatsbeitrag verstosse gegen «das Prinzip der institutionellen Kongruenz.»
«Lassen Sie die Kirche im Dorf», rief Andreas Frei vor der Abstimmung über seinen Antrag, der den Kompromissvorschlag der Kirchen aufgriff, und eine Kürzung von 400 000 Franken verlangt. Er wurde 28:23 angenommen.

Herr Tramer, Was bedeutet das Ergebnis der ersten Lesung für die Kirche?
Wir freuen uns, dass unsere Argumente bei einer Mehrheit der Parlamentarierinnen und Parlamantarier auf Zustimmung stossen: Sie drückten aus, dass die Arbeit der Kirche wichtig ist und dass sie die historisch gewachsene Beziehung zwischen Staat und Kirche wertschätzen.

Weil es für die Kürzung des Staatsbeitrages eine Gesetzesänderung braucht, ist eine zweite Lesung nötig. Wie sehen Sie ihr entgegen?
Ich bin optimistischer als auch schon. Diejenigen, die wirklich eine ganze Million sparen wollen, müssen sich überlegen, ob sie eine Volksabstimmung riskieren wollen, obwohl sie im Parlament unterlegen sind. Kommt es zur Volksabstimmung, weil die Vorlage im Parlament die für Gesetzesänderungen nötige 4/5-Mehrheit nicht erreicht, könnten sie beides verlieren: die von ihnen geforderte Million, aber auch die moderatere Kürzung von 400 000 Franken, die die Parlamentsmehrheit in der ersten Lesung beschlossen hat.

Es wird darum wohl nochmals um die Höhe der Kürzung und um die Indexierung, die Anpassung des Betrags an die Teuerung, gestritten. Was wäre, wenn die Indexierung wegfällt?
Der Staatsbeitrag würde jedes Jahr entwertet, bis er total unbedeutend ist. Es wäre das Signal, dass sich der Staat längerfristig aus seiner Verantwortung für die Beziehung zwischen Gesellschaft und Kirche zurückzieht.

Die Argumente der rechten Ratsseite waren teilweise etwas diffus.
Auch manche SVP-Parlamentarier sprachen positiv von den Leistungen der Kirchen für die Allgemeinheit.

Ja, und für diesen gesamtgesellschaftlichen Nutzen braucht es das Geld. Eine Kürzung von 400 000 Franken, wie sie die Parlamentsmehrheit jetzt festlegte, ist die oberste Grenze. Eine Kürzung von einer Million wäre komplett abseitig. Der Schaden wäre verheerend: Bei Altersarbeit, Jugendarbeit, Nachbarschaftshilfe, Unterricht, Seelsorge, Gottesdienst würden Teile wegbrechen.

Falls es doch zur Volksabstimmung kommt, wie sehen Sie ihr entgegen?
Es wird anstrengend, aber ich glaube, wir haben eine gute Chance, die Abstimmung zu gewinnen.



Kürzung des Kirchenbeitrags
Am 3. März hat das Kantonsparlament die von der Regierung vorgeschlagene Kürzung des Staatsbeitrages an die Kirchen deutlich von 1 Million auf 400 000 Franken abge­mildert. Jetzt steht noch die zweite Lesung im Parla­ment bevor.

Barbara Helg

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