Baselland, Basel-Stadt, Luzern, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug

«Gott ist der grosse Abwesende»

min
01.01.2016
Der Regisseur des diesjährigen Einsiedler Welttheaters, Beat Fäh, sprach über die Präsenz von Gott im Stück, warum es christliche Werte braucht und welche Rolle der Klosterplatz Einsiedeln spielt.

Beat Fäh, inwiefern spielt der Ort, also der Platz vor dem Kloster Einsiedeln, für das Stück selbst eine Rolle?
Beat Fäh: Der Ort spielt eine sehr grosse Rolle. Der Schauplatz ist magisch, er ist der heimliche Hauptdarsteller des Stücks. Ohne dieses Kloster und seine Mystik, die es ausstrahlt, wäre das Stück nicht das gleiche. Insofern wäre es auch sehr schwierig, die Geschichte an einem anderen Ort zu realisieren. Die Tradition des Klosters, seine Präsenz ist da ganz entscheidend.

Wie haben Sie als Regisseur die Zusammenarbeit mit dem Kloster bisher erlebt?
Sehr positiv. Wir waren immer in engem Kontakt; Pater Urban, der Dekan, ist Vorstandsmitglied der Theatergesellschaft, insofern war von Anfang an klar, dass wir eng zusammenarbeiten müssen. Aber es ist gut, wenn die Klosterleute das Stück mittragen. Das merkt man in konflikthaften Situationen. Wie beispielsweise, als unsere Werbeeinkaufstüten mit der Aufschrift «Heilandsack» für Empörung gesorgt haben. Das schlug Wellen bis in die Sonntagspredigt des Klosters Einsiedeln hinein. Das Kloster wusste das und hat den Ausdruck und die Werbung in einen sinnvollen Zusammenhang gestellt. Das ist natürlich wertvoll für unsere Arbeit.

In welcher Gestalt betritt Gott die Bühne?
Als der grosse Abwesende. Die Menschheit versucht im Stück, Gott mit gottgleicher Technik zu ersetzen. Der Optimierungswahn unter den Menschen ist das grosse Thema, die Fragestellung, ob das, was gemacht werden kann, auch gemacht werden muss oder soll. Die Protagonisten befinden sich also in einer Art Dilemma.

Welche Fragen tauchen da auf?
Die Frage, wer einem helfen kann, aus so einem Dilemma wieder herauszufinden. Können Institutionen helfen? Kann Gott helfen? Kann die Kirche helfen?

Wie lautet die Antwort?
Ich habe keine allgemeingültige Antwort, ich kann nur eine für den Ausgang des Stücks formulieren. Und diese lautet: Die eine Antwort gibt es nicht. Jeder muss für sich selbst herausfinden, in welche Richtung er sein Leben steuern will, welche Einstellungen er gegenüber den Dingen hat und auch, wer oder was ihm bei seiner Entscheidungsfindung hilft. Das kann der Glaube sein oder eben nicht.

Das klingt ziemlich pragmatisch und nicht unbedingt gottesfürchtig.
Ich bin ja auch aus der Kirche ausgetreten, bin nicht mehr katholisch. Aber ich kritisiere den Glauben nicht per se. Ich habe vieles, was mit dem Glauben und der Kirche zu tun hat, in mein Leben integriert. Auch wenn ich kein Kirchgänger mehr bin.

Welche Aspekte sind das?
Die Sehnsucht nach Stille, Demut, Empathie, die Fähigkeit, auch mal klein sein zu können im Auge der Schöpfung. Das sind alles Werte, die aus der Religion stammen, aber nicht nur innerhalb der Religion gelebt werden müssen.

Wollen Sie diese Werte auch den Zuschauern vermitteln, die sich Ihr Stück anschauen werden?
Wir werden auf jeden Fall vermitteln, was passiert, wenn genau diese Werte fehlen. Aber am Ende geht es nicht um ein Ja oder Nein gegenüber Werten oder der Kirche, sondern um den Aufruf: Kümmert euch selbst um die Problematik, bevor andere über euch bestimmen.



Der Regisseur und das Theater
Beat Fäh, 1952 geboren, ist Regisseur, Schauspieler und Autor. Er zeichnet für die Regie des diesjährigen Einsiedler Welttheaters verantwortlich, Autor des Stücks ist der Deutsche Tim Krohn. Das Einsiedler Welttheater findet vom 21. Juni bis am 7. September statt. An den insgesamt 41 Aufführungen werden rund 500 Personen aus dem Klosterdorf mitwirken. Calderóns «Welttheater» wurde seit 1924 in Einsiedeln schon vielfach als Freilichtaufführung auf die Bühne gebracht. Zuletzt im Jahr 2007 in einer Inszenierung des Schriftstellers Thomas Hürlimann und des Regisseurs Volker Hesse.


Zum Bild: Schauplatz Einsiedeln: «Ohne dieses Kloster und seine Mystik, die es ausstrahlt, wäre das Stück nicht das gleiche.» | zvg

Von Anna Miller / Kipa

Links:
www.welttheater.ch


Regisseur Beat Fäh.

Unsere Empfehlungen

Aufgeheiztes Klima

Aufgeheiztes Klima

Vor 500 Jahren kam es im Raum Stein am Rhein, Stammheim und der Kartause Ittingen zu einem Aufstand im Zusammenhang mit der beginnenden Reformation. Ein Stationenweg und Veranstaltungen laden ein, über aktuelle Fragen des Glaubens und Zusammenlebens nachzudenken.