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Geistliche Übungen als Rückenwind für die Seele

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01.01.2016
Meditieren und näher zu Gott finden kann man auch ohne ­längeres Time-out: Möglich machen es die «Exerzitien im Alltag». In Altdorf wird die Methode seit zehn Jahren erfolgreich vermittelt.

Im Glauben ist es wie im Sport, im Beruf oder in der Partnerschaft: Ohne besonderes Training, Weiterbildungen oder Inseln der Zweisamkeit besteht die Gefahr, von der Routine überrollt zu werden. Exerzitien im Alltag (von lateinisch «exercere» = üben) sind geistliche Übungen, die den Teilnehmern die intensive Beschäftigung mit ihrem Glauben, ihrer Beziehung zu Gott und mit der Bibel ermöglichen. Und zwar zu Hause, neben Berufs- und Familienleben.
«Sie dienen damit der Beziehungspflege mit Gott», erklärt Ulrich Schmaltz, «Gott lässt sich suchen und hat Sehnsucht danach, von uns gefunden zu werden. Dies korrespondiert mit unserer tiefen menschlichen Sehnsucht, unser Leben selbstverantwortet kritisch und hellwach zu leben.» Der reformierte Pfarrer von Erstfeld bietet diese Kurse mittlerweile im zehnten Jahr an gemeinsam mit Lisbeth Tresch-Philipp von der katholischen Pfarrei Bruder Klaus in Altdorf.
«Die Exerzitien stärken und fördern Seele, Geist und Leib des Menschen», erklärt Tresch. Dieser ganzheitliche Aspekt fehle bei vielen weltlichen Selbstfindungskursen. «Dort geht es oft nur um den Körper, wie beim Fasten oder Wellness, oder nur um den Geist, wie bei reinen Meditationskursen», so Tresch. «Wir können zudem auf einen über 2000-jährigen christlichen Erfahrungsschatz zurückgreifen», ergänzt Schmaltz. «Die Exerzitien sind ein kostbarer kirchlicher Weg zur Selbstfindung, ein Angebot mit hoher Qualität, das unsere Konsumgesellschaft niemals bieten kann eine Einübung in das wirkliche echte Leben», so der Theologe. «Neben dem Sich-selbst-besser-Kennenlernen spüren unsere Teilnehmer auch die Einbettung und das Aufgehobensein in der Gemeinschaft.» Dafür garantieren die beiden erfahrenen Kursleiter, die den Teilnehmenden auch für Einzelgespräche zur Verfügung stehen.

Oasen im Alltag
Die «Exerzitien im Alltag» gehen auf Ignatius von Loyola (14911556), den Gründer des Jesuitenordens, zurück. Er empfahl, auch den Menschen ein meditatives Angebot zu machen, die sich nicht für eine längere Zeitspanne von Verpflichtungen frei machen können, um bespielweise in ein Kloster zu gehen.
Der Ablauf der Kurse, die neben Altdorf auch in anderen Gemeinden angeboten werden, ist jeweils ähnlich: Ein Informationsabend ermöglicht Interessierten, sich mit dem Konzept vertraut zu machen. Der eigentliche Kurs besteht aus sechs wöchentlichen Treffen, in Altdorf immer nach den Sommerferien. Darin resümieren die 12 bis 15 Teilnehmenden, wie es ihnen mit den Übungen ergangen ist. Zudem werden Impulse für die kommenden Tage gegeben. «Zusätzlich sollen die Teilnehmenden täglich 20 bis 30 Minuten im Gebet oder mit einer Bild- oder Textmeditation verbringen sowie den Tag bewusst reflektieren», erklärt Schmaltz.
«20 bis 30 Minuten hört sich wenig an», erläutert Tresch, «doch ist es im Alltag, in der Familie, oft gar nicht so einfach, diese Zeit wirklich freizuhalten». Wenn dann doch einmal das Telefon schellt, lernten die Teilnehmenden solche Störungen in ihre ­Meditation einzubauen. «Störungen gehören dazu, wie sonst im Leben auch», so Tresch. Lerne man diese zu akzeptieren oder gar positiv zu sehen, sei bereits ein wichtiger Schritt in Richtung meditativer, kritisch-wachsamer Gelassenheit und Freiheit erreicht: «So stellt Gott unsere Füsse auf weiten Raum», drückt es Pfarrer Ulrich Schmaltz mit einem Psalmwort aus.

Annette Meyer zu Bargholz

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