Martin Luther: «Von Arbeit stirbt kein Mensch, aber vom Müssiggehen kommen die Leute um»

Wer kennt es nicht, das Märchen von Frau Holle, das jedem Kind einbläut, dass Faulheit und Müssiggang bestraft werden. Während die fleissige Apfelsammlerin und Bettenausschüttlerin mit Gold belohnt wird, duscht die Faule im Pech. Denn heisst es nicht schon in der Bibel: «Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.» (2. Thessalonikerbrief 3.10)
Wer Kulturgeschichte betrachtet, erkennt rasch, dass die Faulheit nicht immer eine Todsünde darstellte. In der Antike galten die Musse und die Kontemplation als Ideal. Bis ins Mittelalter hinein war das Nichtstun nicht ein Makel, sondern ein Privileg der Feudalherren. Nur in den Klöstern hielten strenge Regeln der Benediktiner neben dem ora das labora fest. Wer Gott gefallen will, soll nicht nur beten, sondern auch arbeiten.
Die Reformation verschärfte die Arbeitsmoral zusätzlich. Musse und Faulheit gelten von nun an als Laster. «Von Arbeit stirbt kein Mensch, aber von Ledig- und Müssiggehen kommen die Leute um Leib und Leben; denn der Mensch ist zum Arbeiten geboren wie der Vogel zum Fliegen», wetterte Martin Luther. Die Neuzeit und die Industrialisierung machten die Arbeit endgültig zum Inhalt und Sinn des Lebens: Zeit ist Arbeit und Arbeit erwirtschaftet Geld. Wer aus diesem Kreislauf rausfällt, gilt als Parasit, Asozialer oder Invalider.
Das Diktat der Arbeit durchdringt heute die ganze Gesellschaft und drängt die Feiertage, das Familien- und Vereinsleben an den Rand. Gerade der Sonntag gerät immer mehr unter Druck. «Der Sonntag ist der Stolperstein unseres Alltags», schreibt der Schweizerische Evangelische Kirchenbund in der Broschüre «Wer braucht schon den Sonntag?». «Leben ist auch Zusammenleben», stellt der Kirchenbund fest: «Was gemeinsam geschieht, braucht regelmässige, gemeinsame freie Zeit. Überall dort fehlt, wer am Sonntag arbeiten muss.»

Manfred Koch, Faulheit eine schwierige ­Disziplin, Kindle Edition.
Siehe www.sek.ch

tz

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