Baselland, Basel-Stadt, Luzern, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug

Zwischen Pazifismus und Landesverteidigung

min
01.01.2016
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, segneten die Kirchen ­Europas die Soldaten, die in den Krieg ­zogen. Begeistert feierten sie den «seligen Soldatentod». In der Schweiz jedoch entwickelte die Theologie einen eigenen Weg, der den «Krieg im Namen Gottes» kritisch hinterfragt.

Am 28. Juni 1914 wurde der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajewo erschossen. Die Schüsse wurden zum Fanal für den Ausbruch des 1. Weltkriegs. Millionen Soldaten zogen mit dem Segen der Kirchen in die Grabenkampf, um für Gott, Kaiser und Vaterland zu fallen. Einzig die Kirchen und die Theologie in der Schweiz suchten in der Bedrohung nach einem eigenen Weg.
In den ersten Kriegsjahren war die Theologie, wie viele in der gesamten Deutschschweiz, deutschfreundlich. Etliche Theologen, wie etwa Leonhard Ragaz, hatten in Deutschland studiert. Einzelne wie Hermann Lüdemann, Kirchengeschichtler in Bern, waren selbst Deutsche. «Es war durchaus nicht so, dass die Schweizer Universitätstheologie insgesamt und von Anfang an eine Deutschland kritische Haltung vertrat», erklärt Georg Pfleiderer, Systematiker an der Theologischen Fakultät Basel.

Friedenskongress gescheitert
In ihrer Haltung gegenüber der aktiven Landesverteidigung im Falle eines Übergriffs der Kriegshandlungen auf die Schweiz waren sich die Theologen in der Schweiz uneinig. Leonhard Ragaz bildete mit seinem dezidierten Pazifismus eine Minderheitsposition.
1912 hatte der Pfarrer am Basler Münster versucht, die Sozialisten Europas zum Antimilitarismus zu verpflichten. Sozialisten aus ganz Europa kamen nach Basel. Doch der Friedenskongress scheiterte. Die Sozialisten sahen sich in erster Linie als Patrioten, die sich dem Ruf zur Fahne verweigerten. Der Zürcher Theologe Hermann Kutter vertrat eher eine vermittelnde Position. Er suchte nach einem dritten Weg. Denn Gott allein sei derjenige, der Frieden stiften vermag.
Kutter wand sich gegen den «Pharisäismus der Idee», auch der pazifistischen. Er forderte dazu auf, die Ideologien, soziale, nationale oder wirtschaftliche als Menschenwerk im Licht des Evangeliums kritisch zu hinterfragen. In seinen in der Schweiz ziemlich heftig umstrittenen «Reden an die deutsche Nation» versuchte Hermann Kutter 1916, die Deutschen nach einem allfälligen militärischen Sieg an ihre besseren, «idealen und idealistischen Kulturtraditionen» zu erinnern. Er erhoffte sich von ihnen eine «Kultur der Menschlichkeit».
Karl Barth, der damals noch Pfarrer in Safenwil war, positionierte sich in der Nähe Kutters. Sowohl aktive Landesverteidigung als auch Pazifismus stünden unter der Gefahr jenes von Kutter zu Recht so genannten «Pharisäismus der Idee». Gerade die «Kriegszeit» sei Gelegenheit, sich bewusst zu werden, dass nur Gott selbst sein «Gottesreich» heraufführen könne und werde, so Karl Barth.
Für Georg Pfleiderer, der sich in seiner Forschung seit Jahren mit Barths Erbe auseinandersetzt, ist es kein Zufall, dass «gerade die Schweiz zum Ort der Entdeckung einer neuen dialektisch-theologischen Art der Hoffnung auf das Reich Gottes wurde». Im Namen Gottes lässt sich ab dann kein Krieg mehr führen.
Der Erste Weltkrieg bildete auch den Ausgangspunkt für die pazifistische Bewegung in der Schweiz. Bei der Mobilmachung verweigerte Max Daetwyler 1914 den Fahneneid aus Protest gegen den Krieg. Daetwyler, der später als Friedensapostel mit der weissen Fahne durch die Schweiz zog, berief sich auf die Botschaft der Nächstenliebe. Das Christentum verbot für Daetwyler jede Gewalt, auch jene des Staates.

tz

Unsere Empfehlungen

Aufgeheiztes Klima

Aufgeheiztes Klima

Vor 500 Jahren kam es im Raum Stein am Rhein, Stammheim und der Kartause Ittingen zu einem Aufstand im Zusammenhang mit der beginnenden Reformation. Ein Stationenweg und Veranstaltungen laden ein, über aktuelle Fragen des Glaubens und Zusammenlebens nachzudenken.