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Paulus, dürfen Christen zu den Waffen greifen?

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01.01.2016
Er verfolgte Andersgläubige brutal mit Waffengewalt, wurde Pazifist und hingerichtet: Paulus aus Tarsus. Ein Zwiegespräch mit dem Apostel.

Sei gegrüsst, Apostel Paulus. Gerne möchten wir dir ein paar Fragen stellen, die vermutlich schon zu deiner Zeit aktuell waren. Du als römischer Bürger, als jüdischer Schriftgelehrter, Pharisäer und als Nachfolger Jesu Christi kennst dich auch bei heiklen Themen aus.
Das mag sein. Um welches Thema geht es denn?

Wir Christen sind uns bis heute nicht einig, ob oder wann Christen zur Waffe greifen dürfen. Darf sich ein Christ wenn überhaupt nur verteidigen oder sogar angreifen?
Das ist eine sehr komplexe Frage, auf die es keine Pauschalantwort gibt. Die Meinungen gingen übrigens schon damals auseinander. Denken wir an meinen Kollegen, den Apostel Petrus, der bei der Gefangennahme Jesu zum Schwert griff und einem Soldaten ein Ohr abschlug. Ausserdem hätten unsere Vorväter ohne Kampf wohl kaum eine Chance gehabt zu überleben. In den Schriften wird zur Genüge von Krieg und Eroberungen unter Josua, den Richtern und Königen berichtet.

Hast du selbst nicht auch zu den Waffen gegriffen, Paulus?
Als Christ nicht mehr.

Aber, aber Saulus
Ich gebe es ja zu. In den Tagen, als ich die Christen verfolgte, liess ich andere für mich zur Waffe greifen und jagte den Christen mit Soldaten nach, die bis an die Zähne bewaffnet waren. Das Töten-Lassen bereitete mir gros-se Freude. Ich empfand es als Pflicht und Ehre, diese Nazarener-Sektierer zu eliminieren.

Nun bist du selbst einer von ihnen. Änderte sich dadurch deine Einstellung zu Kampf und Gewalt?
Jesus selbst hat nicht zur Waffe gegriffen. Wenn ich ihm nachfolge, habe ich hoffentlich die Gewalt nicht mehr nötig. Ob ich lebe oder sterbe: Ich bin in Gottes Hand! Andererseits kämpfe ich nun mit dem gleichen Eifer für Christus, wie ich zuvor gegen ihn gekämpft habe. Doch jetzt ohne sichtbare Waffen aus Metall oder Eisen.

Womit denn sonst?
Als Christen haben wir andere Waffen, die wir zunächst in unserem eigenen Leben einsetzen und anwenden sollen. Wir unterschätzen diese oftmals.

Und die wären?
Unsere Rüstung besteht aus: dem Gürtel der Wahrhaftigkeit, dem Brustpanzer des richtigen und gerechten Verhaltens, den Schuhen, die für die Bereitschaft der Verkündigung von Gottes Friedensbotschaft stehen, dem Schild des Vertrauens auf Gott, dem Helm des Heils, dem Schwert des Geistes und Gottes Wort. Diese Waffen haben schon Diktaturen und Menschen bis ins Innerste erschüttert.

Das ist wohl etwas für Insider Hat nicht Jesus gesagt, er sei nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert?
Diese Aussage ist kein Aufruf zur Waffe zu greifen und mit dem Schwert zu kämpfen. Jesus macht klar: Wer ihm nachfolgt, gewinnt nicht nur Freunde, sondern auch Feinde. Die Jesusnachfolge kann zum Anstoss für andere werden und Entzweiung, Nachteile und Verfolgung mit sich bringen.

Sollen sich Christen alles gefallen lassen?
Das nun auch wieder nicht. Als Christen sollen wir lernen, weise und angemessen zu kämpfen, mit der Wahrheit, der Liebe, der Gerechtigkeit und ihrem Glauben. Der Kampf ist nicht einfach. Vermutlich sind wir ein Leben lang beschäftigt, diese Waffen angemessen einzusetzen. Aber ich glaube, es lohnt sich. Es gibt keine anderen Waffen, um Frieden zu schaffen.

Möchtest du sonst noch etwas sagen, Paulus?
Ja, auch ich habe eine Frage: Welche dieser Waffen, die übrigens in meinem Epheserbrief im 6. Kapitel nachzulesen sind, könnte heute noch Wunder wirken?


Bibelstellen zum Interview: Markus 10,34; Römer 13,12; 14,8; 2. Korinther 6,7; 10,4.5; Epheser 6,1117

Zum Bild: Apostel Paulus auf der Peters­kirche in Rom: «Als Christen kämpfen wir mit den Waffen der Wahrheit, Liebe und Gerechtigkeit.» |zvg

Interview: Sabine Herold

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