Baselland, Basel-Stadt, Luzern, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug

«Wir sind alle Adam und Eva geblieben»

min
01.01.2016
In der Kirchengeschichte gilt Eva als Sünderin und weibliche Verführerin. Doch was geschah wirklich im Paradies? Ein Interview mit EVA.

Eva, seit Jahrhunderten wird dir allein die Schuld für den Sündenfall zugeschoben. Wie denkst du heute über das Geschehene?
Das ist ein weites Feld über das man unendlich viel schreiben könnte. Ich kann dazu nur sagen: Was geschehen ist, ist geschehen. Wir alle haben letztlich von dieser Frucht gegessen.

Willst du dich rausreden? Wegen dir leben wir heute nicht mehr im Paradies!
Nein. Tatsache ist, auch Adam ass davon. Wir standen beide vor dem Baum der Erkenntnis, vor dem verlockenden Angebot und der Entscheidung. Adam bedeutet übrigens «Mensch», «Menschheit». Mein Name «Eva» heisst die «Lebendige» und «Lebensspenderin». Bis heute stehen wir Menschen als lebende Geschöpfe vor der Wahl, den Versuchungen zu widerstehen oder ihnen zu erliegen. Wir haben die Möglichkeit, uns für oder gegen etwas zu entscheiden. Letztlich damit für oder gegen Gott.

Warum konntest du nicht widerstehen?
Ein Grund war, dass mir in diesem Moment nicht bewusst war, wie viel wir hatten, welche Fülle uns Gott schenkte. Wir hatten im Paradies alles, was wir brauchten. Doch dann sah ich auf einmal, was mir angeblich fehlte und was ich nun unbedingt wollte. Wie bei einem kleinen Kind wirkte der Reiz des Verbotenen. Die Gier nach mehr wurde durch gezielte Fragen und Suggestionen in mir geweckt.

Mit diesen Methoden arbeitet heute die Werbung.
Ja, so hat sich seit damals nicht viel geändert.

Gab es noch einen weiteren Grund, dass du die Frucht genommen hast?
Vielleicht hatte ich den Eindruck, dass jetzt endlich etwas geschehen und somit auch entschieden werden musste. Mein Mann stand unentschlossen und schweigend neben mir typisch für ihn. Lieber nichts sagen und andere entscheiden lassen, als die Verantwortung für eine Fehlentscheidung zu tragen. Irgendwann konnte ich dies nicht mehr aushalten. Ich habe zugegriffen und die Frucht der Erkenntnis gegessen. Ich hätte ja auch gehen können. Ich denke, die Ursache für unsere Entscheidungen und unser Handeln steckt oft in uns selbst. So sind wir Menschen.

Wie denkst du heute über die Themen Schuld und Verantwortung?
Ich habe ja gestaunt, dass Gott zuallererst Adam für sein Handeln zur Rechenschaft gezogen hat, obwohl ich diejenige war, die nicht widerstehen konnte. Adam hat die Schuld auf mich geschoben und ich habe sie auf den Versucher geschoben. Wir waren beide beteiligt und nicht fähig, unseren eigenen Anteil in dieser «Sündenfall-Geschichte» zu erkennen und dafür geradezustehen obwohl wir ja von dem Baum der Erkenntnis gegessen hatten. Wir konnten Gott nicht sagen, dass es uns leid tut und ihn um Vergebung bitten.

Fühltet ihr euch nicht schuld?
Schon. Doch wir wollten dafür nicht geradestehen. Lieber stellten wir uns als armes Opfer oder als berechtigter Täter dar. Wir hatten Angst, die Verantwortung zu übernehmen und um Vergebung zu bitten.

Danke Eva! Liegt dir sonst noch etwas auf dem Herzen?
Wie ich das mitbekommen habe, verwendet ihr die Begriffe «Schuld» und «Sünde» kaum. Irgendwie sind wir alle Adam und Eva geblieben.


Zum Bild: Die Hand Adams zeigt auf Eva: Ist sie die Schuldige? Gemälde von Meister Bertram von Minden 1375. | zvg

Interview von Sabine Herold

Verwandte Artikel:
30.12.2014: Paulus, dürfen Christen zu den Waffen greifen?
25.02.2015: Interview mit Petrus: «Schon wir waren uns uneinig»

Unsere Empfehlungen

Aufgeheiztes Klima

Aufgeheiztes Klima

Vor 500 Jahren kam es im Raum Stein am Rhein, Stammheim und der Kartause Ittingen zu einem Aufstand im Zusammenhang mit der beginnenden Reformation. Ein Stationenweg und Veranstaltungen laden ein, über aktuelle Fragen des Glaubens und Zusammenlebens nachzudenken.