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«feste feiern»: Spiel mit sehen und gesehen werden

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01.01.2016
«Ange(se)hen. Gesichter einer Stadt» heisst die Ausstellung, welche über den Reformationssonntag bis zum 8. November im Basler Münster zu sehen ist. In dreizehn zeitgenössischen Positionen gehen Kunstschaffende auf lustvolle, wie tiefsinnige Weise das Thema sehen und gesehen werden an und schaffen eine Beziehung zwischen Werken, Orten und Betrachtenden.

Dieses Auge, das da vom Säulenbogen hoch oben herabblickt und mich verfolgt, kommt mir doch bekannt vor. «Es gibt ein Aug das alles sieht, auch wenns in finstrer Nacht geschieht», lautete ein Sinnspruch, der sich auf das allsehende Auge Gottes bezieht bezog. Heute müsste man es wohl eher auf die vielen Überwachungskameras anwenden. Angesehen sein, werden und selbst ansehen: Das ist das Thema der Ausstellung «Ange(se)hen», die mit einem reichen Begleitprogramm noch bis zum 8. November im Basler Münster zu erleben ist. Lanciert wurde sie von Pfarrer Philipp Roth gemeinsam mit der Christoph-Merian-Stiftung zum Reformationssonntag im Rahmen der Kampagne «feste feiern» der Evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt.
Acht Werke speziell für den Ausstellungsort geschaffen
Der Kuratorin Françoise Theis ist es gelungen, Künstlerinnen und Künstler zu gewinnen, die sich auf unterschiedliche Art und Weise mit dem Thema auseinandersetzten als Video, Installation, Intervention, Malerei, Skulptur. «Zwei Drittel der Werke wurden spezifisch zum Ausstellungsthema und für das Münster als Ort geschaffen», sagt die Kuratorin. Ins Auge springt dabei, dass es sich um einen äusserst lustvollen Umgang mit dem Thema handelt. Nicht nur das die Besucher verfolgende Auge des Künstlers gibt davon Zeugnis. Auf einem schlichten Hinweisschild vor dem Altar, das im Münster an verschiedenen Orten anzutreffen ist, steht zu lesen «THIS WAY». Geht man auf das Schild zu, wie es uns anleitet, dann verschwindet die Schrift immer mehr. Man kann darin die Zweifel sehen, die aufkommen können, wenn man den Weg des Glaubens geht oder die Tatsache, dass dieser Weg für jeden ein anderer ist individuell.

Individuum im Blickpunkt
Genau das ist die Intention der Ausstellung zum Reformationssonntag. «Ein Anliegen der Reformation war es, dass jeder Einzelne von Gott geliebt und angesehen ist . Das adelt ihn ungeachtet von Stand, Besitz oder Leistung. Darauf antwortet er mit persönlichem Glauben», führt Initiator, Pfarrer Philipp Roth aus. Im Münster, das exemplarisch für diesen Weg seit der Reformation steht, treffen somit Tradition und Zeitgeist aufeinander. Ein Werk spielt bewusst mit diesem Gedanken. In der Grösse eines Epitaphs, von Grabtafeln, hinter denen zum Teil auch Paare bestattet sind, liegt der Abdruck einer Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) auf dem Boden des Kreuzgangs, das ein eng umschlungenes Paar zeigt. Das Bild schafft mit heutigen Mitteln eine Transparenz zum Epitaph. «Mit Kreuzgang und Münster werden Räume bespielt, die künstlerisch und religiös stark besetzte Orte sind und in ihrer Präsenz mit den zeitgenössischen Kunstwerken in einen Dialog treten», streicht Françoise Theis heraus. Diese Auseinandersetzung eröffne neue Perspektiven, neue Sichtweisen.
Das erfahren jene, die die Ausstellung besuchen, bereits beim Eintritt: nicht über das Hauptportal, sondern über den Kreuzgang, durch zwei Türen, die normalerweise nie geöffnet sind und so zu einer ungewohnten Wahrnehmung des Münsters und sich selbst führen. Denn zwischen Kunstwerk und Betrachtenden entsteht ein Ansehen und Angesehen werden amüsant und tiefsinnig zugleich geht uns Kunst hier an.



Die Ausstellung
25. Oktober bis 8. November
Öffnungszeiten:
MoFr: 11 bis 20 Uhr
Sa: 11 bis 16 Uhr
So: 11.30 bis 17 Uhr

Begleitprogramm
unter www.erk-feste-feiern.ch / www.facebook.com/angesehen2015
Initiant: Philipp Roth. Kuratorin: Françoise Theis
Kunstschaffende:
Flurina Badel & Jérémie Sarbach, Françoise Caraco, Katja Dormann, Daniel Göttin, île flottante | Nica Giuliani & Andrea Gsell, Denise Kratzer, Gerda Maise, Alexandra Meyer & Chris Hunter, Sebastian Mundwiler, Bianca Pedrina, Andreas Schneider, Ursula Sprecher & Andi Cortellini, Michel Winterberg

Der Gottesdienst
Sonntag, 1. November, 10 Uhr, Basler Münster
Liturgie: Philipp Roth, Lukas Kundert,
Lea Scherler
Mit: Vocalensemble Voices; Tanzperformance; Andreas Liebig, Orgel; Katrin Bösiger, Geige




Zum Bild: Michel Winterberg: «Angesehen», 2015. Interaktive Videoinstallation.

Franz Osswald

Links:
www.erk-feste-feiern.chwww.facebook.com/angesehen2015

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