Baselland, Basel-Stadt, Luzern, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug

Wie Hilfswerke Ethik und Profit zusammenbringen

min
01.01.2016
Solidarische Schweiz: Das Spendenvolumen lag auch 2015 bei 1,7 Milliarden Franken. Da viele Projekte etappiert sind, heisst das: Viel Geld wird an der Börse parkiert - durchaus nach ethischen Kriterien wie Caritas und Heks versichern.

Die humanitäre Tradition der Schweiz ist nicht nur eine Floskel. Diesen Eindruck erhält man wenigstens, wenn man die Spendenstatistik der Stiftung Zewo, die Hilfswerke zertifiziert, liest. 2014 sind etwas mehr als 1,7 Milliarden Franken insgesamt zusammengekommen.

Spenden-Rekordjahr
Und wie ist das Jahr 2015 verlaufen? Noch kann Zewo-Geschäftsführerin Martina Ziegerer keine exakten Zahlen nennen. Aber der Eindruck von dem, was ihr bisher von Zewo-zertifizierten Organisationen gemeldet wurde, fasst sie so zusammen: «Die meisten haben ihr Spendenziel erreicht oder sogar übertroffen.»

Ebenso optimistisch geben sich die christlich geprägten Hilfswerke Caritas und Heks. Auch sie verfügen zwar noch nicht über genaue Zahlen, gehen aber davon aus, ihre Spendenergebnisse von 2014 übertroffen zu haben. Heks-Mediensprecher Dieter Wüthrich sagt dazu: «Sicher mit eine Rolle für die anhaltend grosse Spendenbereitschaft der Schweizer Bevölkerung spielt die Flüchtlingskrise.»

Solidarität mit den Bedürftigen
Was beim Blick auf die Zewo-Statistik überrascht: Voraussichtlich zum dritten Mal übertrifft das Spendenergebnis das Tsunami-Katastrophenjahr von 2005. Damals war unter dem Eindruck der Tsunami-Toten die Spendenbereitschaft besonders hoch; erstmals in der Geschichte wurden 1,7 Milliarden Franken gespendet. Auch die wirtschaftlich turbulenten Zeiten nach dem Frankenschock sorgten also nicht für einen Abbruch der Spendenbereitschaft. Martina Ziegerer stellt dies besonders heraus. Die Geberfreude hänge nicht unbedingt mit ökonomischen Wachstumsjahren zusammen: «Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zeigen die Menschen hierzulande viel Mitgefühl. Sie sind bereit jenen zu helfen, denen es noch schlechter geht.» Die humanitäre Tradition der Schweiz ist also bis heute intakt. Dabei geht beinahe die Hälfte aller Spenden ins Ausland.

Spekulation mit Spendengeld?
Was aber machen die Hilfswerke mit den grossen Geldsummen, die meist nicht unmittelbar in die Projekte fliessen können? Caritas und Heks haben klare Richtlinien für ihre Anlagepolitik ausgearbeitet. Rohstoffkonzerne mit problematischen Bergwerkprojekten, Produzenten von Rüstungsgütern oder Unternehmen mit Kinderarbeit stehen auf der Negativliste. Den ethischen und sozialen Kriterien sind aber immer harte ökonomische Fakten für die Wertschriftenanlagen vorgeschaltet.

Hans Krummenacher, Finanzchef von Caritas, der 2014 über 13 Millionen Franken in Aktien angelegt hat, nennt dabei drei Punkte: Sicherheit, Liquidität und eine marktkonforme Rendite. Die schwarze Liste werde zudem immer einer neuen ethischen Prüfung unterzogen. Tropenholz in einem wiederaufgeforsteten Wald sei anders zu bewerten als Tropenholz aus einem Regenwald-Kahlschlag. «Mit unserer weltweiten Vernetzung können wir hier besonders gut die sozialen und ökologischen Folgen von Investitionen beurteilen» so Krummenacher. Caritas Schweiz engagiert sich auch aktiv bei der Stiftung Ethos. Die Stiftung macht immer wieder Druck, dass die Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit vorwärts machen und dies auch in Sozial- und Umweltberichten dokumentieren. «Mit unserem Engagement bei der Stiftung Ethos beeinflussen wir auch das Verhalten der Schweizer Unternehmen», so der Caritas-Finanzchef.

Von einer puristischen Festlegung beim Wertschriftenvermögen hält auch das evangelische Hilfswerk Heks in Anbetracht der komplexen weltwirtschaftlichen Verflechtung nichts. Die Ausschlusskriterien kommen aber dann zum Zug, wenn ersichtlich ist, dass beispielsweise Rüstung oder Gentechnik mehr als fünf Prozent des Umsatzes eines Unternehmens generieren.

Dass gemeinnützige Organisationen an der Börse Geld anlegen, stösst manchem Spender sauer auf. Krummenacher erklärt dies so: «Viele unserer Projekte sind langfristig angelegt - in der Regel auf drei bis fünf Jahre. Und da braucht es eine langfristige Verbindlichkeit.» Auch müssten neue Projekte sorgfältig aufgegleist werden, um wirklich nachhaltig zu sein. Caritas hat trotz Schwankungen noch nie Geld an der Börse verloren.

Mehrwert dank hohem Franken
In dieselbe Kerbe schlägt Dieter Wüthrich. Denn Heks sieht eine langfristig ausgerichtete Arbeit nur dann garantiert, wenn gestaffelt Geld in ein Projekt bereitgestellt werden kann. «Das hat nichts mit Geld zurückhalten zu tun, sondern entspricht einem verantwortungs- und sinnvollen Umgang mit Spendengeldern», so der Heks-Sprecher. Dieter Wüthrich weist noch auf eine schöne Seite des Spendenjahrs 2015 hin: «Durch den starken Frankenkurs hat der einzelne Spendenfranken in den Auslandsprojekten teilweise tatsächlich ,mehr Wert'.»



Spendenmarkt Schweiz
Zwischen 2004 und 2014 ist das hochgerechnete Spendenvolumen der Schweiz von 1073 auf 1723 Mrd. Franken gestiegen. Das entspricht einem Wachstum von 60 Prozent. Seither verharrt das vom Institut für Verbandsmanagement der Universität Freiburg berechnete Spendenvolumen bei 1,7 Milliarden. Hierfür gibt es auch Erklärungen. Die Zewo, deren zertifizierte Organisationen rund eine Milliarde oder 60 Prozent-Anteil am Schweizer Spendenmarkt ausmachen, führt beispielsweise seit 2014 die Rettungsflugwacht Rega nicht mehr als Mitglied. Bis dahin wurden die Gönnerbeiträge und Zuwendungen von 85 Millionen als Spenden aufgeführt. Zudem werden auch die Sponsorengelder für Organisationen seit 2013 als Eigenleistungen in der Statistik verbucht.
Von den Spenden, die in der Statistik der Zewo aufgeführt werden, stammen zwei Drittel von Privathaushalten. Auch über die Einzelspender haben Umfragen einiges zutage befördert. So spenden von den erwachsenen Schweizer 75 Prozent regelmässig - im Schnitt jährlich rund 500 Franken.


Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».


Zum Bild: Ethische Investitionen wie Solartechnologie stehen bei den Wertschriftenanlagen der Hilfswerke hoch im Kurs. Im Bild ein kalifornisches Solarkraftwerk.
Foto: Wikipedia

Delf Bucher / reformiert.info / 11. Januar 2015

Unsere Empfehlungen

Kirchenaustritte: Schmerzhafte Bilanz

Kirchenaustritte: Schmerzhafte Bilanz

Die Studie zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche hat auch Folgen für die Reformierten: Nie zuvor sind so viele Mitglieder ausgetreten wie im vergangenen Jahr. Aber es gibt Unterschiede, wie die definitiven Zahlen 2023 zeigen.
Für mehr Hilfe zur Selbsthilfe

Für mehr Hilfe zur Selbsthilfe

Patientinnen und Patienten sollen besser über das Angebot von Selbsthilfegruppen informiert werden. Dafür strebt die Klinik Zugersee das Zertifikat «Selbsthilfefreundliche Klinik» an. Mit dabei ist auch die Triangel Beratung Zug, ein Angebot der Reformierten Kirche im Kanton Zug.