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«Too big to fail» aus reformierter Sicht

Banken sind mitverantwortlich für sozialen Frieden

von Marius Schären/reformiert.info
min
25.04.2023
Banken trügen eine grosse gesellschaftliche Verantwortung, schreibt die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS). Sie hat ausführlich zu zehn Fragen zur Krise um die CS Stellung genommen.

Was hat das Scheitern der Grossbank Credit Suisse (CS) mit der Kirche zu tun? Ganz direkt nichts.

Aber eigentlich doch recht viel, findet die Dachorganisation der Reformierten, die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS). «Aus evangelisch-reformierter Perspektive stellt die Wirtschaft ein wichtiges Lebensmittel dar, das möglichst vielen Menschen auf ihnen angemessene Weise dienen soll. Krisen, wie die Bankenkrise 2008 oder der Untergang der CS in den vergangenen Wochen, geben Anlass, grundsätzlich über unsere Art des Wirtschaftens nachzudenken.»

Das teilt der Rat der EKS einleitend mit zu einem relativ umfangreichen Papier mit dem Titel «10 Fragen – 10 Antworten «Too big to fail»». Und hält fest, dass die bisherigen «Too big to fail»-Regelungen im Krisenfall nicht funktionieren würden. Es brauche grundsätzlichere Überlegungen, fordert der Rat.

 

 

In den aktuellen Antworten zur Bankenkrise verweist die EKS auf die Publikation «Gerechtes Haushalten und faires Spiel» von 2010, die der damalige Kirchenbund (heute EKS) nach der Krise von 2008 publizierte. Diese theologischen Überlegungen und ethisch reflektierten Lösungsansätze würden weiter «eine gute Basis» bilden.

 

 

Kein einzelner Schuldiger

Zur Frage, wer schuld sei an der aktuellen Krise, sagt die EKS: viele. Genauer: «Es gibt nicht einen bestimmten Schuldigen.» Doch habe seit Jahren schon das Management der Credit Suisse selbst mit Skandalen und Fehlinvestitionen das Vertrauen von Anlegerinnen und Anlegern verspielt. Und dabei sei das Vertrauen die Ressource, die Banken und die Wirtschaft allgemein nicht selbst hervorbringen könne, aber darauf angewiesen sei. Und: «Je höher die Risken sind, die für einen Erfolg eingegangen werden, desto wichtiger ist das Vertrauen (...).»

Regulierungen durch den Staat sieht der EKS-Rat als zwingend notwendig. Diese müssten «die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass eine Bankeninsolvenz ohne inakzeptable volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Schäden möglich ist». Aber zugleich dürften die Marktmechanismen nicht ausser Kraft gesetzt werden. Insolvenzen seien ein «normaler Vorgang der marktwirtschaftlichen Selbstreinigung».

 

 

Starke Rolle des Staates

Diese beiden Forderungen würden sich nicht widersprechen, sondern bedingten einander, sagt EKS-Ratsvizepräsidentin Catherine Berger auf Nachfrage. Die Gesellschaft müsse die Folgen der Markfreiheit – bis hin zur Insolvenz – auch tatsächlich tragen können. «Deshalb bildet die Forderung nach einer sorgfältigen Risikovorsorge des Staates die Voraussetzung für die Forderung nach Marktfreiheit.»

 

Grundsätzlich ist Risikospekulation nicht verwerflich.

Auch bezüglich Risiken und Spekulation gibt sich der Kirchen-Rat erstmal pragmatisch. «Grundsätzlich ist Risikospekulation nicht verwerflich», hält er fest. Und schiebt gleich ein grosses Aber nach: «Too big to fail» zeige nämlich, dass Banken gar nicht für die Risiken haften könnten, die sie eingehen würden.

 

Da fehlt die Moral bei den Banken

Und dann erhebt der Rat den Zeigefinger hoch, redet den Banken deutlich ins Gewissen. Moralisch fragwürdig seien Risiken, die weder seriös überblickt und abgewogen noch deren Konsequenzen tatsächlich getragen werden können. Die Gesellschaft werde so mit einer unakzeptablen Situation konfrontiert: «Entweder ist die Gesellschaft insgesamt gefährdet oder sie wird genötigt, für die Schäden zu haften, die der rechtlichen Verpflichtung und der demokratischen Legitimation entbehren.»

Spekulative Risiken sind für die EKS also klar eine Frage der Moral. Doch was fordert sie daraus? Das, was Kirche mit ihrem Engagement in der Sozialdiakonie eigentlich schon tut. Ausgedeutscht: «Aus theologisch-ethischer Sicht geht es darum, die Aufmerksamkeit für die Menschen und Gruppen herzustellen, die unter den Folgen am meisten leiden, sich nicht dagegen wehren können und zu einer entwürdigenden Existenzweise in Armut gezwungen sind», ergänzt Catherine Berger die Aussagen der Publikation.

 

 

Vom Niedergang der Grossbank CS sieht sicht der Rat der EKS herausgefordert. Die gegenwärtige Bankenkrise besorge viele Menschen und beschäftige die Zivilgesellschaft. Neben Gerechtigkeitsfragen werfe die Krise auch theologisch-ethische Fragen auf: Wozu verpflichtet Reichtum? Wie hält es die Bibel mit dem Reichtum und der Armut? Was lässt sich aus biblischer Perspektive über Geldanlagen sagen? Zudem sei die Publikation auch ein genereller Anstoss, über die Art des Wirtschaftens nachzudenken. Als Autoren zeichnen Elio Jaillet, Stephan Jütte und Frank Mathwig.

 

 

Grosse gesellschaftliche Verantwortung

Glasklar betont der EKS-Rat, dass Banken nicht abgekoppelt von der Gesellschaft walten dürften: «Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung tragen Banken eine grosse gesellschaftliche Verantwortung.» Und zwar für die Kundschaft, Anlegerschaft und gegenüber den Finanzmärkten. Sie hätten also «durchaus Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und sozialen Frieden», bestätigt die Ratsvizepräsidentin. Doch konkreter in den Forderungen wird sie dabei nicht, sondern hält schlicht fest: «Die Gestaltung der Unternehmenskultur hängt von den Unternehmen ab.»

Lohnunterschiede findet die EKS prinzipiell ungerecht – wenn Menschen für die gleiche Leistung unterschiedlich entlöhnt werden. Und wenn es Staatsgarantien gibt, dürfe die Lohnpolitik nicht von den Interessen jener abgekoppelt werden, die im Ernstfall Sicherheitsleistungen erbringen müssten.

 

Maximales Lohnverhältnis von 1:40

Deshalb fordert der Rat: «Es braucht eine Diskussion über die relative Begrenzung der höchsten Vergütungen und die Grenzen der Lohnschere in staatlich gesicherten Unternehmen.» Und er wieder holt als Erinnerung den Vorschlag den der Kirchenbund bereits 2010 machte: ein Verhältnis von 1:40 zwischen Maximal- und Minimallohn.

 

Wer reich ist, trägt auch Verantwortung, deshalb ist Reichtum steuer- und sozialpflichtig.

Gemäss der Bibel seien zwar weder Armut noch Reichtum der Gerechtigkeit näher, wird in der EKS-Publikation weiter betont. Wichtig sei, was daraus gemacht werde. «Es hängt also von den menschlichen Einstellungen und Haltungen ab und nicht von Armut und Reichtum an sich.» So vertritt der Rat auch die Haltung, dass Reichtum verpflichtet – denn: «Wer reich ist, trägt auch Verantwortung, deshalb ist Reichtum steuer- und sozialpflichtig.»

 

Gute Anlagen dienen der Gemeinschaft

Auch Geldanlagen an sich könnten gut sein, wie die Bibel ebenfalls festhalte, schreibt der EKS-Rat. «Eine gute Geldanlage ist eine, die die Lebensmöglichkeiten der Gemeinschaftsmitglieder fördert.» Zwar biete die Bibel kein Anlageportfolio – aber eine Perspektive und Anstoss, über Geldanlagen nachzudenken und die Ziele und Absichten davon zu beurteilen.

 Schliesslich will der EKS-Rat auch diese Krise als Chance begriffen sehen. Das empörte Verurteilen von einzelnen Menschen sieht er kritisch: «Die Personalisierung von Verantwortung hat lediglich symbolische Bedeutung. Sie spielt mit der Illusion, dass die Identifikation der Täter:innen die Tat aus der Welt schaffen würde.»

Ein konstruktiver Umgang mit Krisen würde vielmehr darin bestehen, sie als Spiegel zu begreifen. «Die Krise fordert uns auf, uns (…) als Beteiligte und Akteurinnen und Akteure zu verhalten.»

 

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