«Brot für alle»-Kursbesucher als Terroristen angeklagt
Der evangelische Pastor Omot Agwa Okwoy, der Muslim Jemal Oumar Hojele und der Protestant Ashinie Astin Titoyik wollten zusammen mit vier weiteren Personen im letzten März in Addis Abeba gerade das Flugzeug nach Kenia besteigen, als alle sieben von der Polizei festgenommen wurden. Anstatt am «Brot für alle»-Workshop zu Land, Saatgut und Nahrungssicherheit landeten sie im Gefängnis. Vier von ihnen wurden inzwischen freigelassen. Gegen die drei Männer jedoch erhob die Polizei Anklage, obwohl ein Gericht bereits Anfang Juli festgestellt hatte, dass es keinen Grund gebe, sie noch länger zu inhaftieren.
Es sei das erste Mal, dass so etwas passiere, sagt Miges Baumann, Leiter Ressort Entwicklungspolitik von «Brot für alle»: «Die Terrorismus-Anklage ist an den Haaren herbeigezogen.» Über die Gründe könne man nur mutmassen, meint Baumann. Natürlich sei das Thema des Workshops für die äthiopische Regierung unerfreulich. Landraub und in der Folge Hunger seien in diesem afrikanischen Staat verbreitet. «Die Regierung vergibt Landrechte an private Investoren», erklärt Baumann. Das Land gehört Kleinbauern, die es seit Jahrhunderten besitzen, jedoch keine schriftlichen Titel geltend machen können. Das sei in vielen afrikanischen Ländern traditionelles Recht, werde aber in Äthiopien von den Behörden nicht respektiert. Die Verhaftung sei vor den Wahlen in Äthiopien geschehen, kritische Themen seien sicher nicht erwünscht gewesen, glaubt Miges Baumann.
Omot war Übersetzer bei der Weltbank
Im Fall von Pastor Omot könnte die Anklage auch mit seiner früheren Tätigkeit als Übersetzer für Arbeitsgruppen der Weltbank zu tun haben. In dieser Funktion hat der Pfarrer 2014 an einem Panel teilgenommen. Dieses untersuchte gemäss der Organisation Human Rights Watch eine Klage des indigenen Anuak-Volkes, wonach es im Rahmen eines Weltbankprojekts auf ihrem Gebiet in der äthiopischen Verwaltungsregion Gambela zu Vertreibungen und schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen sei. «Seither wurde Pastor Omot von der Polizei beobachtet», bestätigt Miges Baumann.
Ashinie Astin Titoyik dokumentierte als Mitglied der Regionalregierung in Gambela die Auswirkungen von Landraub auf die ansässige indigene Bevölkerung. Jemal Oumar Hojele engagierte sich für die Verbesserung der Ernährungssicherheit im Nordwesten von Äthiopien. Die Anklage wirft allen drei vor, Mitglieder von terroristischen Vereinigungen zu sein. Die Organisationen setzen sich für die Rechte der indigenen Bevölkerung in Äthiopien ein.
Pastor Omot, und vermutlich auch seine beiden Mitgefangenen, seien nach ihrer Verhaftung drei Wochen lang in Einzelhaft gesessen, schreibt Human Rights Watch. Man habe ihnen nur begrenzten Kontakt mit ihren Familien erlaubt. Während 161 Tagen wurden sie gefangen gehalten, ohne dass Anklage gegen sie erhoben wurde. Omot drohe nun eine Gefängnisstrafe von 20 Jahren bis lebenslänglich.
Bisher setzte sich «Brot für alle» auf diplomatischem Weg für die Verhafteten ein. Jetzt gelange man an die Öffentlichkeit, weil der Prozess bevorsteht. «Wir beraten die Inhaftierten weiterhin juristisch und unterstützen ihre Familien mit praktischer Hilfe», betont Miges Baumann. Der Gerichtstermin findet am 22. Oktober statt.
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».
Zum Bild: Der evangelische Pastor Omot Agwa Okwoy wollte einen Workshop von «Brot für alle» besuchen und wird nun in Äthiopien der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung bezichtigt.
©Dead Donkeys Fear No Hyenas / WG Film
Karin Müller / Kirchenbote / 22. September 2015
Links:
Weitere Informationen bei «Brot für alle»
und Human Rights Watch
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