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Brot für alle zweifelt an Nachhaltigkeitslabel

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06.11.2018
Palmöl zerstört Regenwald und indigene Kulturen. Von «Brot für alle» bis zum Bauernverband wollten viele Organisationen einen hohen Zoll auf Pflanzenfett-Importe aus Indonesien. Aber der Bundesrat ist anderer Meinung.

Palmöl – das ist das Allround-Pflanzenfett für alles. Es macht nicht nur den Brotaufstrich von Nutella cremig, sondern findet sich in Kosmetika, Waschmittel oder Agro-Treibstoffen. Und es ist das Schmiermittel, um blockierte Verhandlung voranzubringen. Als die Schweiz Indonesien Zollrabatte für Palmöl anbot, willigte der indonesische Chefunterhändler Soemadi Brotodiningrat ein. Pikant dabei: Der Handelsdiplomat ist selbst verbandelt mit der Palmölindustrie.

Miges Baumann von der entwicklungspolitischen Organisation «Brot für alle» (Bfa) sagt denn auch: «Das ist kein gutes Abkommen für die Indonesier.» Noch ist das Dokument nicht vom Bundesrat ratifiziert, aber Baumann befürchtet, dass neben dem Palmöl noch ganz andere Dinge im Handelsvertrag stehen. «Wahrscheinlich wurde die Laufdauer der Patentrechte für Schweizer Pharmakonzerne verlängert», vermutet der Bfa-Entwicklungsexperte. Eine Nachricht, von der die Gesundheitsversorgung der 280 Millionen Indonesier betroffen sein wird.

Gegen Mensch und Umwelt
Schon im Vorfeld der Verhandlungen hat Bfa zusammen mit anderen Hilfswerken und dem Bauernverband den Bundesrat aufgefordert, Palmöl aus dem Freihandelsvertrag auszunehmen. Baumann selbst hat sich Ende Oktober nochmals die prekäre Situation der Palmölindustrie in Indonesien angeschaut, das zusammen mit Malaysia 80 bis 90 Prozent der Palmöl-Weltproduktion bereitstellt. Die Monokulturen seien eine Katastrophe, zieht Baumann Bilanz: In der Produktion würden Menschen- und Arbeitsrechte nicht eingehalten, die Umwelt werde zerstört und der CO2-Ausstoss, sei aufgrund von Brandrodungen und Torfbränden sehr hoch.

Anders bewertet Bundesrat Johann Schneider-Ammann den erreichten Kompromiss mit Indonesien. In einem Radiointerview mit SRF betont er, dass die dank Zollrabatt wahrscheinlich bald steigenden Palmölimporte aus Indonesien den Nachhaltigkeitsstandards genügten. Hier setzt aber der Bfa-Spezialist ein grosses Fragezeichen: «Auf dem Papier hört sich dies alles schön an. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus.» So hat Baumann die Plantage eines Firmenimperiums besucht, das sich selbst den Nachhaltigkeitskriterien des Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) verpflichtet hat. Vor Ort war aber sichtbar, dass weder die ökologischen noch sozialen Anforderungen, die der Runde Tisch selbst erarbeitet hatte, eingehalten wurden. Dazu Baumann wörtlich: «Das sind freiwillige Absichtserklärungen, hinter denen aber keinerlei  Sanktionsmechanismen stehen.»

Industrie in der Pflicht
Was können die Verbraucherin und der Konsument machen? Boykottieren? Miges Baumann winkt ab: «Palmöl ist  eine Allround-Zutat in Lebens- und Waschmitteln sowie Kosmetika geworden», erklärt er. Zu kompliziert sei es da, dass der Endverbraucher den Überblick behalte. Die Stossrichtung von Bfa, Fastenopfer und Pro Natura ist eine andere: Sie appellieren an die  Nahrungsmittelindustrie und die Grossverteiler. Einen ersten Erfolg verzeichnen die Organisationen, die Ende des Jahres 2017 eine Petition, von mehr als 12'000 Menschen unterschrieben, an Grossverteiler und Industrie weitergeleitet haben. Coop hat darauf bereits reagiert und sich verpflichtet für ihre Eigenproduktion nur noch Palmöl aus biologischem, kleinbäuerlichem Anbau zu verwenden und insgesamt die Verwendung des Pflanzenfetts zu reduzieren.

Brot für alle und Fastenopfer versuchen auch Druck auf die Schweizer Banken auszuüben, die auch in dem Palmöl-Geschäft engagiert sind. In einer Studie hatten die beiden Hilfswerke 2017 offengelegt, dass Credit Suisse sich mit rund 900 Millionen Franken im Palmöl-Geschäft engagiert. Auch die Bank Sarasin und die ZKB werden in der Studie genannt.

Delf Bucher, reformiert.info, 6. November 2018

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