Der Glaube geht durch den Magen
Wer das Neuen Testament liest, dem wird schnell klar, Jesus und seine Jünger waren keine Kostverächter. Verschiedene Bibelstellen berichten über opulenten Feste, bei denen der Wein nicht fehlen durfte. Sei es an der Hochzeit zu Kana oder am Passahfest, aus dem später das christliche Abendmahl hervorging. Immer wieder beschreibt Jesus das Reich Gottes als grosses Gastmahl. Und selbst das bekannteste Gebet der Welt, das «Unser Vater», bittet um das tägliche Brot.
Zwischen rein und unrein
Die meisten grossen Religionen kennen Essensvorschriften und Rituale. Die muslimische Küche unterscheidet zwischen «Haram», verboten und unrein, und «Halal», erlaubt und rein. Auch das jüdische Essen sollte koscher sein.
Das Christentum hingegen kennt keine direkten Speisegebote, das Neuen Testament macht diesbezüglich keine Vorschriften. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte das Christentum Traditionen wie das Fischessen am Freitag im Gedenken an den Todestag Christi oder das Fasten vor Ostern und Weihnachten. Das Tischgebet gehört bei vielen Gläubigen zur Esskultur. Und Brot und Wein bilden im Abendmahl und in der Eucharistie das symbolische Zentrum des Gottesdienstes und der Messe.
Ausdruck der grenzenlosen Gemeinschaft
Das Essen steht im Christentum jedoch für einen besonderen Aspekt, den andere Religionen weniger betonen. «Es ist Ausdruck einer grenzüberschreitenden Gemeinschaft, sagt Moisés Mayordomo, Neutestamentler an der Theologischen Fakultät Basel. «Am christlichen Tisch sollen alle Platz finden. Das war und ist auch heute revolutionär.».
Schon Jesus war bei der Wahl seiner Gastgeber nicht zimperlich. Der Nazarener kehrte bei Zöllnern und Steuereintreibern ein und speiste mit den «Sündern». Entsprechend kritisierten ihn die Pharisäer und Schriftgelehrten.
Diese Offenheit führten die ersten christlichen Gemeinden weiter. Beim Sättigungsmahl sassen Armen und Reichen, Sklaven und Herren und Männer und Frauen gemeinsam am gleichen Tisch.
In seinen Briefen plädiert Paulus für Toleranz beim Essen. (Römer 14.1 – 3) Er brachte Judenchristen und hellenistische Christen zusammen, indem er die jüdischen Reinheitsgesetze relativierte. Der Apostel hatte in Antiochia gesehen, wie jüdische und hellenistische Christen zusammen speisten. Aus dieser Praxis formulierte Paulus seine Theologie der Rechtfertigung. Es komme nicht auf die Einhaltung des jüdischen Gesetzes an, weil die Menschen aus dem Glauben heraus vor Gott gerechtfertigt sind.
Vom Petrusfisch zur Kappeler Milchsuppe
Die Sommerserie 2018 der reformierten Kirchenzeitungen der Deutschschweiz greift in den kommenden fünf Wochen verschiedene berühmte Mahlzeiten aus dem Neuen Testament und der Kirchengeschichte auf und stellt sie im Web vor. Die Serie startet mit Beiträgen zum Fisch im Neuen Testament und zum letzten Abendmahl Jesu.
Dann macht die Reihe einen Sprung in die Zeit der Reformation. Auch hier schlugen sich die historischen Ereignisse in den Speisen nieder. Die Serie begleitet den Gourmet Martin Luther durch die spätmittelalterliche Küche und findet dort Spuren seiner Reformation. Später schneidet sie mit Huldrych Zwingli beim Fastenbrechen ein herzhaftes Stück Wurst ab und taucht bei Kappel Brotstücke in die Milchsuppe.
Dazu servieren die Beiträge leckere Rezepte, mit den entsprechenden Empfehlungen zum Wein.
Tilmann Zuber, kirchenbote-online.ch
Radio Life Channel: Vom Petrusfisch zur Kappeler Milchsuppe
Der Glaube geht durch den Magen