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Der Kanton Bern hat fast hundert Pfarrhäuser verkauft

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01.01.2016
Ein Staatswesen als erfolgreicher Grundstückmakler: Der Kanton Bern bot seine Pfarrhäuser feil, und Käufer fanden sich zuhauf. Die meisten Pfarrhäuser sind in den Besitz der Kirchgemeinden übergegangen.

107 Pfarrhäuser in bernischen Landen gehörten ursprünglich dem Kanton. Im Zuge einer grossen Aufgabenüberprüfung kam man zum Schluss, dass es nicht zu seinem Kerngschäft gehöre, Pfarrhäuser zu unterhalten. So begann der finanziell gebeutelte Kanton vor zehn Jahren, diese Liegenschaften zum Kauf anzubieten in erster Linie an die Kirchgemeinden oder an die Standortgemeinden.

Da warens nur noch zehn
Dass die Kirchgemeinden sofort zugreifen würden, stand kaum zu erwarten, denn die historischen Pfarrhäuser, die zuweilen kleinen Herrensitzen ähneln, sind intensiv im Unterhalt. Und doch: Heute kann das kantonale Amt für Grundstücke und Gebäude eine Erfolgsbilanz vorweisen. Nur noch zehn Pfarrhäuser befinden sich im Eigentum des Kantons. 85 sind, wie vorgesehen, von den Kirchgemeinden gekauft worden, sechs gingen an politische Gemeinden oder Stiftungen, sechs an Private. Wo sie nicht weiterhin als Wohn- und Arbeitssitz der Pfarrperson genutzt werden, steht zumeist privates Wohnen im Vordergrund.
Wie viel diese Verkaufsaktion bisher in die Staatskasse gespült hat, sagt man auf der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion nicht. Nimmt man einen Durchschnitt von 400'000 Franken pro Liegenschaft, dürften es jedoch gut und gerne 38 Millionen Franken sein. Für das Pfarrhaus und das dazugehörende Land in Madiswil etwa will der Kanton 476'000 Franken. Hier müsste die Käuferschaft allerdings auch noch mit Renovationskosten in der Grössenordnung von einer halben Million Franken rechnen. Solche Summen sind für finanzschwächere Kirchgemeinden kaum verkraftbar, deshalb haben die Madiswiler ihr Pfarrhaus auch noch nicht erworben als einzige Kirchgemeinde in der Region Oberaargau.

Sie prägen das Ortsbild
«Pfarrhäuser gehören, zusammen mit der benachbarten Kirche, der Pfrundscheune oder dem Ofenhaus, zu den ortsbildprägenden Bauensembles», sagt Martin Koelbing, Beauftragter für kirchliche Angelegenheiten beim Kanton Bern. Kirchgemeinden schätzten es, dass ihr Pfarrer oder ihre Pfarrerin an so prominenter Stelle im Dorf wohne und wirke. Deshalb seien sie grundsätzlich daran interessiert, dass das Gebäude nicht an eine Privatperson gehe, sondern in kirchlichem Gebrauch bleibe. Zumal die Kirchgemeinde ja verpflichtet sei, einer Pfarrperson Diensträume zur Verfügung zu stellen.
Nun wer nicht kauft, hat das Nachsehen. In Siselen zum Beispiel wurde die Pfarrerin von der Dienstwohnungspflicht befreit, und damit entfiel für sie generell die Wohnpflicht in ihrer Kirchgemeinde. Das leer gewordene Pfarrhaus mit einer schönen französischen Hofanlage verkaufte der Kanton an eine Privatperson. Unterdessen ist die Pfarrerin nicht mehr in Siselen tätig und die Gemeinde muss für den Nachfolger neue Amtsräume und eine neue Dienstwohnung bereitstellen.


Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».


Zum Bild: Ist heute in Privatbesitz: Das Pfarrhaus in Siselen.
Wikimedia Commons

Hans Herrmann / reformiert.info / 14. August 2015

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