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«Der Markt existiert nicht»: Aufklärung gegen die Marktvergötterung

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26.04.2018
Mystisch oder real existierend? Zwei Forscher beleuchten in einem Buch den Marktbegriff.

Oft wird der Markt als Argument angeführt, wenn unbeliebte Entscheidungen anstehen. Man hört dann Sätze wie: «Der Markt zwingt uns, Arbeitsplätze zu verlagern.» Lucas Zapf, Assistent im Departement Gesellschaftswissenschaften der Universität Basel, wollte sich genauer ansehen, was hinter diesem Argument steckt und warum es so gut funktioniert. 

Entstanden ist ein Buch gegen die Marktvergötterung. Unter dem Titel «Der Markt existiert nicht» zeigen er und sein Kollege Peter Seele auf, dass Märkte nichts anderes als funktionale Tauschveranstaltungen sind. «Der Markt wird oft als unantastbare, gottesähnliche Instanz beschrieben: Er bringt Gutes, darf (und kann) aber im Gegenzug nicht in seinem Treiben beeinträchtigt werden. Aber wenn man genauer hinschaut, besteht der Markt doch nur aus den einzelnen Händen, die Waren oder Dienstleistungen austauschen. Das ganze mystische Drumherum ist also eine Aufladung», konstatiert Zapf. 

Nicht selten wird davon gesprochen, dass der Markt entscheidet: Er zwingt Unternehmen zu Entlassungen, er treibt die Politik vor sich her und reagiert nervös. Zapf bemerkt dazu: «Das ist etwas einfach. Es reicht mit dieser Vergötterung eines bewährten Tauschmechanismus zwischen Individuen, Unternehmen und öffentlichen Akteuren. Wir fragen: Was, wenn dieser verabsolutierte Markt gar nicht existierte?»

Klärung des Marktbegriffs
Im Essay setzen sich die beiden Forscher Zapf und Seele zwei unterschiedliche «logische Brillen» auf, um den Marktbegriff, seine Bedeutung und Verwendung in der Sprache besser zu verstehen. Die eine: In einer dreiwertigen Logik, in der es eine Mitte zwischen wahr und falsch gibt, erscheint der Markt als vergöttertes Dazwischen. Diese Rhetorik ermöglicht es, den Markt zu einer aus-serweltlichen Autoritätsfigur zu erheben. Dieser Lesart des Marktes halten Zapf und Seele die analytisch scharfe zweiwertige Logik entgegen. Und siehe da: Der Markt als solcher existiert gar nicht. Es existieren ausschliesslich Marktteilnehmer, die ihren Austausch möglichst frei organisieren.

«Mit diesem logischen Blickwinkel fällen wir keine Aussage über ein wahrhaftiges Dasein des Marktes», ergänzt Zapf. «Wir möchten vielmehr darauf hinweisen, wie die Marktvergötterung genutzt wird, um beispielsweise unangenehme Entscheidungen zu legitimieren und die Verantwortung an einen ominösen Markt abzuwälzen. Ein freier und aufgeklärter Marktbegriff, wie wir ihn vorschlagen, verhindert diese riskanten Verzerrungen.»

Toni Schürmann, 26. April 2018

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