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«Der selbst gebastelte Glaube nimmt zu»

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01.01.2016
Schaffhauser Sektenexperte Joachim Finger.

Herr Finger, Sie sind Experte für Sekten und neue religiöse Strömungen im Kanton Schaffhausen. Welche Sekten gibt es hier?
Das kommt ganz auf die Definition an. Heute spricht man nicht pauschal von Sekten, sondern von sektenhaftem Verhalten, das es in allen Religionen und auch Kirchen gibt.

Was ist sektenhaftes Verhalten?
Wenn sich ein Mensch oder eine Gruppe über den Irrtum erhebt und die Wahrheit für sich pachtet. Und alle anderen im Irrtum sieht.

Wer ist das im Kanton Schaffhausen?
Gruppen mit sektenhaften Zügen sind beispielsweise Scientology, die Zeugen Jehovas, Mormonen. Aber auch die Jugendkirche ICF zeigt Ansätze dazu.

Ab wann wird es gefährlich?
Wenn eine Gemeinschaft dem Irrtum kein Lebensrecht mehr zugesteht.

Inwiefern sehen Sie ICF als sektenhaft?
Diese Gruppierung hat ein Jüngerschaftssystem, durch das die Gruppe auch Druck auf das Privatleben ausübt.

Wie sieht ein solcher Druck aus?
In Beratungsgesprächen kommen etwa Situationen zur Sprache, in denen beispielsweise gesagt wurde: «Gott hat mir im Gebet für dich gesagt, dass du den Partner wechseln sollst». Wir haben ein freiheitliches Menschenbild, so dass dies einen unakzeptablen Druck bedeutet.

Wird in unserer Region auch dem Okkultismus gehuldigt?
Es gibt sicher Einzelpersonen. Es gab auch schon Friedhofschändungen. Für manche Jugendliche ist Interesse am Okkultismus auch nur eine Phase. Okkultistische Gruppen treten, wie ihr Name sagt, nicht öffentlich in Erscheinung. Anders etwa als die Zeugen Jehovas, die eine Institution mit eigenen Gebäuden sind und die an Schulen in Erscheinung treten, weil sie für ihre Kinder Ausnahmeregelungen fordern.

Wie hat sich die Situation in den letzten Jahren verändert?
Ich erhalte eher weniger Anrufe von besorgten Angehörigen. Stattdessen nehmen Fragen zu neuen Formen von Religion und Kleingruppen zu. Zum Beispiel Lehrer kommen über ihre Schüler in Kontakt und fragen mich, was dahinter steht. Grundsätzlich kann man sagen, dass die freie Religiosität, in der man sich den Glauben selber aus Versatzstücken zusammenbastelt, zunimmt.

he

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