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50. Todestag von Hannah Arendt

Die Banalität des Bösen

von Jürgen Prause/epd
min
04.12.2025
Die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts waren ihr Lebensthema. Hannah Arendt sah ihre Aufgabe als politische Denkerin darin, die Welt und die Menschen zu verstehen. Sie starb am 4. Dezember vor 50 Jahren.

Wer von der «Banalität des Bösen» spricht, zitiert damit – oft ohne es zu wissen – die grosse Denkerin Hannah Arendt (1906–1975). Die jüdische Intellektuelle war eine einflussreiche Autorin, scharfsinnige Beobachterin und streitbare Zeitgenossin. Auch 50 Jahre nach ihrem Tod ist sie im öffentlichen Diskurs präsent, ihre Schriften werden nach wie vor gelesen und zitiert. Am 4. Dezember 1975 starb sie im Alter von 69 Jahren in New York an einem Herzinfarkt.

Vor den Nationalsozialisten geflüchtet

Als junge Frau musste sie 1933 vor den Nationalsozialisten flüchten und ihre deutsche Heimat verlassen. Die Auseinandersetzung mit dem Wesen der totalitären Diktatur liess sie nicht mehr los. Sie war überzeugt: «Der Totalitarismus vergiftet die Gesellschaft bis ins Mark.» Im amerikanischen Exil wurde sie zu einer der wichtigsten politischen Theoretikerinnen des 20. Jahrhunderts, dessen politische Umwälzungen ihren Lebensweg prägten. Bis zur Einbürgerung in den USA 1951 war sie staatenlos.

Hannah Arendt, am 14. Oktober 1906 in Hannover geboren und in Königsberg aufgewachsen, führte «ein Leben zwischen Politik und Philosophie», wie Annette Vowinckel schreibt. Die Historikerin sieht in Arendt eine «Kronzeugin für das ganze 20. Jahrhundert».

Nach dem Abitur nahm sie in Marburg das Studium der Philosophie, der evangelischen Theologie und der altgriechischen Philologie auf. Sie war 18, als sie eine kurze Liebesbeziehung mit ihrem 17 Jahre älteren Professor Martin Heidegger einging. In Heidelberg wurde sie später bei Karl Jaspers (1883–1969) mit einer Arbeit über den «Liebesbegriff bei Augustin» promoviert.

Assimilierte, jüdische Eltern

Dass sie aus einem assimilierten jüdischen Elternhaus kam, spielte in ihrer Kindheit kaum eine Rolle. «Das Wort ‹Jude› ist bei uns nie gefallen, als ich ein kleines Kind war», berichtete Arendt 1964 in einem Interview. Der Vater war früh gestorben, die Mutter sei «gänzlich areligiös» gewesen. Über ihre jüdische Herkunft sei sie erst durch antisemitische Bemerkungen von anderen Kindern auf der Strasse «aufgeklärt» worden.

Wie ein Blick in den Abgrund

Von der massenhaften, fabrikmässigen Ermordung der Juden in Auschwitz erfuhr die von den Nationalsozialisten ausgebürgerte Emigrantin 1943 in New York, wo sie seit 1941 mit ihrem zweiten Ehemann lebte, dem Philosophiedozenten Heinrich Blücher. Sie reagierte zunächst ungläubig: «Das war wirklich, als ob sich der Abgrund öffnet.»

Hannah Arendt suchte nach wissenschaftlichen Erklärungen für die auf Ideologie und Terror basierenden totalitären Herrschaftssysteme. 1951 erschien in den USA ihr Buch «Origins of Totalitarianism», das sie international bekannt machte. Die deutsche Ausgabe kam 1955 mit dem Titel «Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft» heraus. Sie fasste unter dem Begriff «Totalitarismus» das NS-Regime und den Stalinismus in der Sowjetunion zusammen. Die «konsequenteste Institution totaler Herrschaft» sah sie in den NS-Konzentrationslagern – den «Vernichtungsfabriken», in denen Millionen Menschen ermordet wurden.

Eichmann: Mittelmass und Gedankenlosigkeit

Im Jahr 1961 erhielt Arendt Gelegenheit, einen der Hauptverantwortlichen für die Organisation des Holocaust aus der Nähe zu erleben. Der in Argentinien untergetauchte ehemalige SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann war dort vom israelischen Geheimdienst entführt worden und wurde in Jerusalem vor Gericht gestellt. Der Schreibtischtäter sei einer der «grössten Verbrecher seiner Zeit», sei zugleich aber von Mittelmässigkeit und Gedankenlosigkeit geprägt, schrieb Arendt in ihrem Prozessbericht.

Mit ihrem Buch «Eichmann in Jerusalem» (1963), dessen Untertitel «Ein Bericht von der Banalität des Bösen» zum geflügelten Wort wurde, löste sie eine Kontroverse aus. Kritiker sahen darin eine Verharmlosung des NS-Täters, was aber nicht der Intention der Autorin entsprach.

In keinem Lager: «Denken ohne Geländer»

Auch wenn Arendt während des Kalten Krieges das Etikett der Antikommunistin anhaftete, war sie eine unabhängige Denkerin. Sie fühlte sich keinem Lager und keiner Schule zugehörig. «Denken ohne Geländer» nannte sie das einmal. Manche ihrer Analysen wirken erstaunlich aktuell und werden immer wieder von Experten zitiert, «als seien ihre Überlegungen für unsere Gegenwart geschrieben», wie der Ideenhistoriker Thomas Meyer anmerkt.

Meyer würdigt die Ausnahmestellung der politischen Theoretikerin: «Hannah Arendt ist bis heute die einzige Frau, die neben unzähligen Männern weltweit als Referenz in der Politikwissenschaft und der politischen Philosophie anerkannt wird.» Arendt selbst sagte dazu 1964 in einem TV-Interview mit dem Journalisten Günter Gaus: «Sehen Sie, ich habe einfach gemacht, was ich gern machen wollte.»

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