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Die Kirche entdeckt Crowdfunding

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01.01.2016
Wer ein Projekt verwirklichen will, stellt es heute auf einer Crowdfunding-Plattform im Internet zur Finanzierung aus. Neuerdings auch die Kirchen. Der Aufwand ist gross, doch es bietet sich die Chance, ausserhalb der Kirche Beachtung und Geld zu finden.

Eine Million Euro von 3000 Spendern sammelte eine deutsche Produktionsfirma im Dezember 2011 in nur einer Woche per Crowdfunding für die Komödie «Stromberg», gedreht nach der populären gleichnamigen TV-Serie. Solche Erfolgsmeldungen brachten das Crowdfunding erstmals ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit. Wer eine Idee verwirklichen möchte und dafür Geld braucht, versucht es im Zeitalter des World Wide Webs mit dieser Finanzierungsmethode.

Mittlerweile hat Crowdfunding die Kirchen erreicht. In eineinhalb Monaten brachte die Zürcher Predigerkirche Anfang Jahr 8000 Franken für die Renovation einer Orgel zusammen. Jetzt sammelt eine Projektgruppe der drei Landeskirchen aus Baselland und Basel-Stadt im Internet erstmals Geld für einen Adventskalender.

Das Geld fliesst nicht von allein
Doch wer glaubt, es genüge, die wichtigsten Informationen zu einem Vorhaben auf einer Crowdfunding-Plattform aufzuschalten und darauf zu warten, dass der Geldsegen fliesst, täuscht sich. «Der Aufwand ist viel grösser als bei der Mittelbeschaffung über Stiftungen», erklärt Thierry Moosbrugger vom Projektteam des ökumenischen Adventskalenders «gWunder». Dies bestätigt auch Jacqueline Imhof von der Zürcher Predigerkirche: «Das funktioniert nicht von allein». Auch beim Crowdfunding kann man nicht darauf verzichten, mögliche Geldgeber persönlich zu kontaktieren und ihre Zusage einzuholen, einen bestimmten Betrag über die Internet-Plattform einzuzahlen.

Doch Crowdfunding ist kein Goldesel. Man müsse sich ein realistisches Ziel setzen, betont Imhof. Crowdfunding komme dann zum Einsatz, wenn der grösste Teil eines Vorhabens bereits finanziert sei. Das galt schon für den «Stromberg»-Film, dessen ganze Produktion sich auf 3,3 Millionen Euro belief. Die Orgel für die Predigerkirche kostete insgesamt 130 000 Franken. Der Adventskalender ist ebenfalls teurer als die 6000 Franken, welche die Basler Kirchen nun per Crowdfunding auftreiben möchten.

Über den lokalen Bezug hinaus
Bei den Kirchen versteht man Crowdfunding nicht nur als Geldbeschaffung. Es bietet die Chance, ein breiteres Publikum anzusprechen. Für die Orgel erhielt die Predigerkirche Beiträge von Personen, die keinen direkten Bezug zu der Zürcher Kirchgemeinde haben. So investierte etwa ein Orgelliebhaber aus einem anderen Kanton in das Instrument. Wer im Internet ein Projekt findet, von dem er sich persönlich angesprochen fühlt, unterstütze es über die eigene Region und Kirche hinaus, meint Jacqueline Imhof.

Darauf hofft man auch in Basel. In den 24 Clips des Adventskalenders «gWunder» beantworten neben Kirchenvertretern Politiker, Künstler und Medienschaffende die Frage «Worauf warten Sie?». Mit diesem Projekt möchten die Verantwortlichen auch nicht religiöse oder gläubige Menschen erreichen. Die Crowdfunding-Aktion soll den Adventskalender noch bekannter machen. Die Sammlung auf der Webseite der Basellandschaftlichen Kantonalbank läuft seit Anfang September. Bis heute sind 870 Franken finanziert. Thierry Moosbrugger ist zuversichtlich, dass die ganzen 6000 Franken bis zum 1. Dezember zusammenkommen: «Wir fangen gerade an, potentielle Unterstützer anzuschreiben». Jetzt erst werde das Thema «Advent» langsam aktuell.

Für Hilfswerke nicht geeignet

Viele Projekte können erfolgreich mit Crowdfunding finanziert werden. Es eignet sich aber nicht für alle Bereiche. Die kirchlichen Werke sind zurückhaltend, wenn es um das Einholen von Spendengeldern geht. Man habe es versuchsweise ausprobiert, habe aber das Spendenziel verfehlt, sagt Richard Geer, Leiter Fundraising bei Mission 21. Beim Crowdfunding erhält man für das Geld, das man einzahlt, eine Gegenleistung. So kann man am Erfolg teilhaben. Bei Projekten in der Entwicklungszusammenarbeit sei das nicht möglich, meint Geer. Zudem seien der Aufwand und die Konkurrenz zu gross, als dass es sich lohnen würde.


Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».


Zum Bild: Die reformierte Kirche Baselland, die katholische Kirche beider Basel und die christkatholische Kirche Basel-Stadt sammeln per Crowdfunding Geld für ihren Adventskalender «gWunder».

Karin Müller / Kirchenbote / 30. September 2015

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