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Erhard Jordi, Kirchenratspräsident Schwyz

«Die Kirche ist ein Kompetenzzentrum für Werte»

von Tilmann Zuber
min
28.09.2023
Die Kantonalkirche Schwyz ­feiert ihr 25-jähriges Bestehen. Kirchenratspräsident Erhard Jordi über die Kirche als Hoffnungsträgerin und wie er als Physiker mit dem Glauben umgeht.

Das Motto des Kirchentags der reformierten Kirche Kanton Schwyz lautet: «die Hoffnung, die in uns steckt». Worauf zielt dieses Motto ab?

In uns Christen darf die Hoffnung auf Gottes Beistand in all unserem Tun und Sein leben. Diese Hoffnung gibt uns die Bibel und geben uns die Evangelien, dafür leben wir als Gemeinschaft.

Das Motto hat in diesem Sinne mit dem Kirchentag zu tun, aber nicht spezifisch mit dem Jubiläum. Es wird im Programm des Kirchen­tages immer wieder aufgegriffen.

Persönlich glaube ich, dass sich die Welt gerade in einem Zustand präsentiert, in dem es wichtig ist, Hoffnung für eine gute Zukunft zu haben. Und so darf, glaube ich, Hoffnung auch als Trost verstanden werden, der uns in Form unseres Glaubens weiterhilft.

Die Physik liebe ich, weil sie es ermöglicht, die wahrnehmbare Welt im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu verstehen. Der Glaube liefert den Sinn und die Motivation für unser Leben und Dasein.

Wie meinen Sie das?

Ich habe die Hoffnung, dass bei allem Elend und Schrecklichem in der Welt, das ich sehe und das mich auch sehr beschäftigt, die Menschen im Grossen und Ganzen gut sind und solidarisch miteinander umgehen. Das lehrt mich das Neue Testament.

Sie sind Physiker. Physik und Glaube an Gott und Auferstehung, geht das?

Ich denke, das sind zwei unterschiedliche Arten, die Welt wahrzunehmen. Die Physik beschreibt die sichtbaren oder wahrnehmbaren Dinge. Sie macht das so exakt, wie es möglich ist, und erklärt die Zusammenhänge. Die Physik liebe ich, weil sie es ermöglicht, die wahrnehmbare Welt im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu verstehen. Der Glaube liefert den Sinn und die Motivation für unser Leben und Dasein. Vieles, was ich mit dem Glauben verbinde, ist eben genau nicht intersubjektiv wahrnehmbar und entzieht sich meiner Erklärung oder direkten Beobachtung. Ich bin entschieden gegen die Vermischung der beiden Arten, die Welt und uns selbst zu verstehen. Das ist eine sehr rudimentäre Antwort, sonst wird das eine ganze Sonntagspredigt!

Sie sind auch Lehrer und Pädagoge. Wie könnte die Kirche die Jugend­lichen besser erreichen?

Wenn ich darauf die Antwort wüsste, würde ich natürlich sofort alles umsetzen. Wenn ich mit Jugendlichen über Kirche rede, so nehme ich zur Kenntnis, dass sie nur wenig darüber wissen. Die Institution Kirche macht ja in der Presse eher negative Schlagzeilen, und junge Menschen haben meistens einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, der sich damit schlecht verträgt. Positive Nachrichten, viel Mitspracherechte, Dialog und charismatische Ansprechpersonen können in einem ersten Schritt helfen. Wir müssen ja zuerst einmal so weit ins Gespräch kommen, dass wir überhaupt Glaubensfragen diskutieren können.

Mit dem Kirchentag feiert die ­Kantonalkirche ihr 25-jähriges Bestehen. Die Schwyzer Kirche ist eine der jüngsten in der Schweiz. Was zeichnet die Reformierten
im Kanton Schwyz aus?

Wir feiern ja nur die Institution der Kantonalkirche. Die Reformierten gab es schon vorher. Wir sind eine Diaspora-Gemeinschaft, die in verschiedenen Ortschaften verschieden zustande gekommen ist und damit auch sehr vielschichtig ist. Institutionell zeichnet uns sicher der relativ geringe Organisationsgrad aus. Die Kantonalkirche hat wenig «zu sagen» und ist den Kirchgemeinden subsidiär zugeordnet. Wir verstehen uns als Dach von einzelnen autonomen Kirchgemeinden, helfen, wo wir können, versuchen, Aufgaben zu erledigen, die übergeordnet besser erledigt werden können, und halten den Kontakt zu den übergeordneten Organisationen.

Was bedeutet für Sie Kirche?

Das sind zwei Dinge: zum einen die Gemeinschaft mit Leuten, die ebenfalls einen Glauben haben und diesen zusammen leben wollen. Zum anderen erlebe ich als Präsident des Kirchenrates: Die Kirche vertritt als Organisation das, was unser gesellschaftliches Leben his- torisch bedeutend geprägt hat. Mein Antrieb ist es, die gesellschaftliche Relevanz der Kirche in der heutigen Zeit aufrechtzuerhalten. Die Kirche bringt eine Werthaltung in die Gesellschaft und vereint Menschen unterschiedlicher politischer Ausrichtung in dieser Werthaltung des Christentums.

Charakteristisch für den Kanton Schwyz und seine Kirchen ist, dass hier sehr reiche neben ärmeren Gemeinden existieren. Wie geht man mit diesem Graben um?

Das ist natürlich eine der grossen Herausforderungen. Wir haben einen kantonsinternen Finanzausgleich. Dieser ist geregelt und bietet immer wieder Anlass zu Diskussionen. Da ist die gegenseitige Solidarität spürbar. Als Kirchenratspräsident musste ich auch lernen, dass die Kirchgemeinden halt jeweils anders ticken, und das ist zu akzeptieren. Man lebt damit, und im Moment besteht ja noch nirgends finanzielle Untergangsstimmung.

Ich denke, die Kirche ist ein ­Kompetenz­zentrum für Werte, sie darf sich ­politisch äussern – im Dialog mit allen ­Gläubigen.

Die Kirchen im Kanton Schwyz haben vor kurzem eine Abstimmung im Kantonsrat gewonnen. Das Parlament lehnte die Aufhebung der Besteuerung der juristischen ­Personen ab. Was bedeutet dieser Entscheid für die Kirchen?

Er bedeutet definitiv, dass wir besser kommunizieren müssen. Unsere Entscheide – vor allem, wenn sie ins Politische gehen – müssen demokratisch zustande kommen, und das muss kommuniziert werden. Wir müssen zeigen, wo wir stehen und was wir tun. Der Entscheid bedeutet jedenfalls unter keinen Umständen, dass wir uns nun befriedigt ausruhen ­dürfen!

Eine der Gründe, mit denen dieser ­Vorstoss begründet wurde, war, dass die Kirchen im Fall der Konzern­verantwortungsinitiative politisiert hätten. Darf die Kirche politisieren?

Ich glaube, es geht eher um die Frage: Wie darf sie das? Wenn sie es tut, so in den Bereichen, in denen sie etwas zu sagen hat (was im Falle der Menschenrechte sicher der Fall ist). Dann muss in der Kirche auch intern diskutiert und eine Meinung gebildet werden. Ich denke, die Kirche ist ein Kompetenzzentrum für Werte, sie darf sich so auch politisch äussern – im Dialog mit allen Gläubigen. Das hat wohl bei der Konzernverantwortungsinitiative nicht so gut geklappt.  

In seiner Antwort auf den Vorstoss wies der Regierungsrat auf die ­sozialen Leistungen der Kirchen für die Gesellschaft hin. Wie sehen diese im Bezug auf die reformierte Kirche aus?

Der Regierungsrat hat ja vor allem betont, wie wichtig die Freiwilligenarbeit sei, die in der Kirche zugunsten der Bevölkerung geleistet werde. Mir kommt da die stark ausgebaute ­Seniorenarbeit zuerst in den Sinn. Kirchliche Kreise engagieren sich auch in der Betreuung von Asylbewerbern und Geflüchteten. Ein ganz wichtiges Gebiet sind natürlich die Seelsorgearbeit unserer Pfarrpersonen und Sozialdiakone bei Jung und Alt.

Zum Schluss: Was erwarten Sie vom Schwyzer Kirchentag?

Ich erwarte eine optimistische, frohe Versammlung von vielen Menschen, die an unserer Kirche interessiert sind. Wir wollen unser Leben feiern und uns gemeinsam Gedanken darüber machen.

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