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Ein Wegbegleiter, der seinen Weg gefunden hat

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01.01.2016
Sowohl beim Glauben als auch beim Beruf musste sich Jürg Merz den eigenen Weg erarbeiten, bis er selbst zum Wegbegleiter wurde. Nach 19 Jahren als Spitalseelsorger und insgesamt 27 Jahren in der Basler Kirche geht Jürg Merz Ende Jahr in Pension.

Was hat ein Sportartikelverkäufer mit einem Spitalseelsorger zu tun? Nur so viel, als dass es selten vorkommt, dass aus einem Sportartikelverkäufer ein Spitalseelsorger wird. Bei Jürg Merz ist es der Fall. Aufgewachsen in Riehen, stand ihm der Sinn wie den meisten Jugendlichen nicht nach Religion. Jürg Merz spielte Fussball bei den FCB-Junioren, eine Profikarriere wurde daraus aber nicht. Doch das erste Geld verdiente er dennoch mit Sport, denn er begann bei Kost Sport (der wie Jürg Merz demnächst «in Pension» geht) eine Lehre als Sportartikelverkäufer. Sein sportliches Flair führte ihn später nach Edinburgh und London, indes nicht als Verkäufer, sondern man höre und staune als Skilehrer auf sogenannten Bürstenpisten. Die schottische Hauptstadt verfügt über die grösste ihrer Art, weiss Merz zu berichten.

Theologiestudium als «Selbstheilung»
Theologie stand vorerst nicht auf dem Wunschzettel von Jürg Merz. Religiös sozialisiert wurde er in der Freien Evangelischen Gemeinde (FEG), in der seine Eltern aktiv waren. Den Entschluss, Theologie zu studieren, bezeichnet Jürg Merz als «Selbstheilungsversuch», entsprach seine eigene Theologie doch nicht jener, die er vom Elternhaus und der FEG vermittelt erhielt. Latein, Griechisch und Hebräisch absolvierte Jürg Merz «ohne grosse Freude». «Mein Plan war es, nach der Kirchlich Theologischen Schule (KTS) das Studium an der Uni zu beenden und dann mit Psychologie fortzufahren.» Es blieb vorerst beim Plan. Geglückt ist ihm indes, dass er seinen Glauben hinterfragen und einen eigenen Weg einschlagen konnte. 1981 wurde Jürg Merz in der St. Johanneskirche ordiniert. Die erste Wahl ins Pfarramt St. Theodor scheiterte. Im St. Johann klappte es dann besser, wenn auch nicht ganz ohne Widerstand. Dennoch fühlte sich Jürg Merz in der Gemeinde und im Team akzeptiert und angenommen und ausgesprochen wohl.
Dann kam die Zeit, in der sein «Plan» doch noch ausgeführt werden konnte. Die folgenden fünfeinhalb Jahre bildete er sich zum Psychotherapeuten (Gestalttherapie) aus und arbeitete als Psychologe und Leiter des Tageszentrums der PSAG, der psychosozialen Arbeitsgemeinschaft. «Das war eine tolle Zeit und eine intensive Auseinandersetzung mit psychisch kranken Menschen», erinnert sich Jürg Merz. Die Arbeit mit Kranken sollte schliesslich zu seinem kirchlichen Beruf werden. Am 1. April 1996 begann sein erster Arbeitstag im Universitätsspital Basel als Spitalseelsorger.

Meist mehr Dankbarkeit und Freude erlebt als Trauer
Seinen Dienst am Mitmenschen empfand er selten als Belastung. Dann ­etwa, wenn er Patienten in der Intensivstation besuchen musste und schwierige Entscheide gemeinsam mit Ärzten und Angehörigen zu fällen waren. «Meist habe ich Dankbarkeit und Freude erlebt. Dann, wenn grosse Operationen gut verlaufen waren und für die Patienten ein neues Leben begann, das ihnen dank des Eingriffs geschenkt wurde», schildert Jürg Merz. «Sie mussten ein neues Leben lernen, denn sie waren nicht mehr dieselben wie zuvor.» In den fast 19 Jahren, die er am USB als Spitalseelsorger wirkt, überstrahlte das Licht die Dunkelheit. Und «sein» Licht wird auch nach seiner Pensionierung im USB weiterleuchten in übertragenem Sinne. Der Kerzenständer mit echten Kerzen, der in der Spitalkapelle steht, ist seiner Initiative zu verdanken und seiner Beharrlichkeit.
Beharrlichkeit war auch bei seinem Amt als SP-Grossrat gefragt. Ein Amt, das Jürg Merz während zwölf Jahren versah, davon vier Jahre als Präsident der Gesundheits- und Sozialkommission. Die nötige Ausdauer für Politik und Beruf holte er sich in der Natur als Läufer, Wanderer und Velofahrer «mal schnell 60 Kilometer». Womit wir wieder am Anfang angelangt wären: beim Sport.

Am 21. Dezember um 10 Uhr feiert Jürg Merz den letzten Gottesdienst als Spitalseelsorger des Universitätsspitals Basel.


Zum Bild: Vom Sportartikelverkäufer zum Spitalseel­sorger: Jürg Merz hat ­seinen Weg gefunden. |giger

Franz Osswald

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