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«Geld ist ein guter Diener, aber ein schlechter Herr»

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01.01.2016
«Für die Kirchen sind Finanzfragen immer eine Gratwanderung», sagt Finanzreferent Jakob Vögeli im Abschiedsinterview.

Herr Vögeli, bevor Sie das Finanzreferat der Kirche antraten, waren Sie Geschäftsleitungsmitglied der Kantonalbank. Unterscheidet sich die Kirche von der Geschäftswelt im Umgang mit dem Geld?
Jakob Vögeli: Ein überlegter Umgang mit dem Geld ist bei der Kirche wie bei der Bank wichtig. Bei beiden ist vorausschauendes Planen, Denken und Handeln gefragt. Für die Kirche aber sind Finanzfragen immer eine Gratwanderung: Der Finanzhaushalt muss wirtschaftlich verantwortlich geführt sein, zugleich darf die Kirche den Auftrag zu Mitmenschlichkeit und Dienst am Nächsten nicht aufgegeben.

Wussten Sie bei Ihrem Amtsantritt im Mai 2010 vom grossen finanziellen Defizit, das auf die Kirche zukam?
Dass die Tätigkeit als Finanzreferent kein Honigschlecken werden dürfte, war mit klar. Das Ausmass der erforderlichen Korrekturen hingegen war mir nicht bewusst.

Ein Jahr später präsentierten Sie einen Finanzplan, in dem innert vier Jahren ein strukturelles Defizit von über einer Viertelmillion Franken pro Jahr auszugleichen war 
 die Synode hat noch an der gleichen Sitzung dem Antrag zur Einsetzung der Kommission zur Einleitung einer Strukturreform zugestimmt.

Was war beim Sparen am Schwierigsten?
Die Ausgaben der Kantonalkirche bestehen zu 79 Prozent aus Personalkosten. Wegen der vierjährigen Amtsperiode der Pfarrpersonen können die Personalkosten nicht innerhalb weniger Monate gesenkt werden. Die Institutionen, die mit kirchlichen Beiträgen unterstützt werden, sind mehrheitlich ebenfalls personalintensiv. Auch diese Beiträge können nur unter Berücksichtigung einer angemessenen Frist angepasst werden.

Im Mai 2012 kündigte der Regierungsrat an, er wolle bei den Kirchen eine Million Franken sparen. Welche Gefühle hatten Sie da?
Dass im Zuge der kantonalen Sparmassnahmen auch der Staatsbeitrag zur Diskussion gestellt wird, war nicht die eigentliche Überraschung. Die Vorgehensweise und das ursprüngliche Ausmass hingegen schon.

Die Kirche hat die Herausforderung sportlich genommen und sich einer Abstimmung gestellt. Sie waren stark engagiert und Ihre zahlreichen Kontakte in Politik und Wirtschaft waren der Kirche im Abstimmungskampf sehr hilfreich. Was machten Sie dabei für Erfahrungen?
Höchst spannende. Politisch erhielten wir Unterstützung aus unerwarteten Lagern. Während dem Abstimmungskampf äusserten sich die Gegner in der Öffentlichkeit nur zögerlich. In den vielen Einzelgesprächen waren die Gesprächspartner öfters über die Vielfalt der kirchlichen Aktivitäten überrascht. Das Ergebnis der freiwilligen Spenden zur Finanzierung der Abstimmung war erfreulich. Es war eine sehr intensive Zeit mit einem erfreulichen Ausgang für die Landeskirchen.

Wie sehen Sie in Zukunft das Verhältnis zwischen Kirche, Staat und Wirtschaft?
Damit ein Staat gut funktionieren kann, ist er auf eine gut aufgestellte Wirtschaft und eine intakte Gesellschaft angewiesen. Dabei haben Staat und die Politik für gute Rahmenbedingungen zu sorgen. Damit die Gesellschaft tragendes Element sein kann, ist sie darauf angewiesen, dass sich ihre Mitglieder für das Gemeinwohl interessieren und engagieren. Werte wie Solidarität, Dienst am Nächsten und Verständnis für Schwächere sind Merkmale einer intakten Gesellschaft.
Bei der Mitgestaltung der Gesellschaft leistet die Kirche wichtige Beiträge, zum Beispiel durch die Vermittlung dieser Werte in der Jugendarbeit, durch die Begleitung der Menschen in freudigen und traurigen Lebenssituationen sowie durch ihr Engagement für Ältere und Alleinstehende.
Der Wirtschaft geht es langfristig besser, wenn sie auf Mitarbeitende zählen kann, die in einer intakten Gesellschaft eingebettet sind und über einen Freiraum für Aktivitäten für sich und die Familie sowie zugunsten der Gemeinschaft verfügen.

Kann die Kirche von der Geschäftswelt lernen? Und umgekehrt?
Ja, die Kirchen, indem sie Informationen über die grosse Palette ihrer Tätigkeiten und die Anzahl Menschen, die sie erreichen und die sich engagieren, publik macht. Die Geschäftswelt könnte sich überlegen, was sie ändern müsste, wenn sie sich nach folgendem Grundsatz ausrichten würde: «Geld ist ein guter Diener, aber ein schlechter Herr.»

Sie engagieren sich schon lange in der Kirche, früher als Synodaler und im Kirchenstand Buchthalen. Wie ist die Verbundenheit entstanden?
Ich bin in Gächlingen in einer Familie mit einem guten Bezug zur Kirche aufgewachsen. Durch meine Gotte, eine ehemalige Diakonissin, erhielt ich laufend Anschauungsunterricht, was gelebte Diakonie heisst.

Was werden Sie in Zukunft machen?
Zuerst werde ich den ausgedünnten Terminkalender und die gemeinsame Zeit mit meiner Frau geniessen.




Amtszeit im Rückblick
Von Mai 2010 bis Ende 2013 war Jakob Vögeli Finanzreferent der Reformierten Kantonalkirche, bevor er aus Gesund­heitsgründen zurücktrat. Dass er seinem Nachfolger ein ausgeglichenes Budget hinterlassen kann, zählt er zu den Höhepunkten seiner Amtszeit, ebenso wie die gute Zusammenarbeit unter den Landeskirchen im politischen Prozess um den Staatsbeitrag an die Kirchen. Dass der vielfältige Einsatz der Kirchen im Dienste der Gesell­schaft in der Politik so verkannt wurde, bezeichnet er als Tiefpunkt. | Schlatter

Barbara Helg

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