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Glockenklang für die Freiheit

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01.01.2016
Anlässlich des 75-Jahre-Jubiläums ihrer Kirche zogen die Hägendorfer feierlich ihre neue Glocke auf. Für die Gemeinde war dies ein besonderer Moment.

Einen solchen Glockenaufzug werde man nicht so rasch wieder erleben, meinte Verena Enzler, Synodalratspräsidentin der Reformierten Kirche Kanton Solothurn. In der Tat: Glockenaufzüge sind heute selten. Umso mehr liessen es sich die Reformierten in Hägendorf nicht nehmen, ihre zweite Glocke feierlich einzuweihen. Die Besucher kamen so zahlreich, dass der Gottesdienst ins Kirchgemeindehaus übertragen wurde. Prominente überbrachten Grussworte. Nach dem Gottesdienst spielte die Musikgesellschaft Hägendorf-Rickenbach und die Gäste genossen den reichhaltigen Aperitif im Zelt.
Mitten in der Kirche thronte die mit Blumen geschmückte Glocke.
230 Kilogramm ist sie schwer. «Nicht viel, im Vergleich zur grössten Glocke der Schweiz, die zehn Tonnen wiegt und seit 1611 im Berner Münster hängt», witzelte Pfarrer Ulrich Salvisberg.
Auf der Hägendorfer Glocke steht «Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit». In seiner Predigt griff Pfarrer Salvisberg dieses Bibelwort auf und ging der Frage nach, wo Freiheit herrscht. Freiheit bedeute für viele, dass sie alles tun können, was sie wollen und ihre Emotionen und Triebe ausleben können, gemäss dem Motto «Wenn es nur den Adrenalinkick auslöst» oder «Wenn es für mich stimmt» und «Weil ich es mir wert bin».

Verdammt zum Hausarrest in sich selber
Für Salvisberg ist dies eine beschränkte Freiheit, die sich mit billigem Ersatz, Egotrip und kurzfristigem Genuss begnügt. Die Bibel spreche von einer grösseren Freiheit, die vor dem Tod nicht halt mache und vom Zwang, sich selber ins Zentrum zu stellen, befreit.
«Ohne Gott ist der Mensch einsam, verdammt zum Hausarrest in sich selber zu leben und zum Grös-senwahn, wie Gott zu sein», zitierte Salvisberg Martin Luther. Vor 500 Jahren stellte der Reformator die Frage nach der Freiheit ins Zentrum seiner Botschaft. Echte Freiheit beginne dort, «wo ich mich aus diesem Hausarrest befreien und mich von der göttlichen Macht berühren lasse», erklärte Salvisberg. «Freiheit ist dort, wo ich Gott und den Nächsten liebe.»
Kinder stehen für die Zukunft
Nach der Predigt segnete Ulrich Salvisberg die Glocke. Mit Luftschlangen und einem Tanz nahmen Kinder diese Segenshandlung auf und zogen anschliessend die Glocke aus der Kirche. Salvisberg war es wichtig, dass Kinder bei der Segnung und dem Gottesdienst mitwirkten. «Sie stehen für die Zukunft der Kirche in Hägendorf», erklärt der Pfarrer.
Mit vereinten Kräften hievten die Kinder und anschliessend die Erwachsenen die Glocke in die Höhe, wo sie allmählich im Kirchturm verschwand und fixiert wurde. Punkt zwölf Uhr fingen die alte und die neue Glocke gemeinsam an zu läuten. Ihr klarer Ton wird in den nächsten Jahrzehnten über der Gemeinde am Jurafuss erklingen.

Tilmann Zuber

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