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Stahlgiesserei Schaffhausen

«In der ‹Nachbar› kann man echte Verbindungen knüpfen»

von Carmen Schirm
min
26.10.2023
«Die Nachbar» ist ein Platz für Gemeinschaft, Gespräche und Co-Working. Mit dem Projekt, das von der reformierten Kirche getragen wird, geht diese neue Wege. Sabina Hediger, die neue Betriebsleiterin, erzählt über ihre Visionen und das neue Programm.

«Stahlgiesserei, hier beginnt die Stadt». Der Slogan des Bauherrn für das neue Projekt auf dem Werksareal war zu Baubeginn 2018 allerorts zu hören. Auch der Kirchenvorstand der Zwinglikirche in Schaffhausen hatte vernommen, dass innerhalb des Gemeindebezirks ein neues Quartier entsteht. Dort, wo früher Stahl gegossen wurde, wurden 17 neue Gebäude fertiggestellt und Platz gemacht für über tausend Menschen, kleine Geschäfte und Institutionen. «Wir einigten uns schnell darauf, dass Kirche auch in diesem neuen Stadteil präsent sein sollte», sagt Miriam Gehrke, Präsidentin des Trägervereins Nachbar und Pfarrerin der Kirchgemeinde Zwingli. «Aber anders als üblich, nicht in einem herkömmlichen Kirchenraum.»

Pilotprojekt der Reformierten

Als sie auf den Bauherrn der Stahlgiesserei zuging, stiess sie auf offene Türen. Bald war klar: Allein konnte die Kirch­gemeinde solch ein grosses Projekt nicht stemmen. Die katholische Kirche war nicht interessiert, mit einzusteigen, dafür konnten andere Unterstützer und Sponsoren gefunden werden: der Stadtverband der reformierten Stadtkirch­gemeinden in Schaffhausen, die Kantonalkirche, die Stiftung urbane Diakoniesowie weitere Stiftungen und Sponsoren. Ausserdem wurde zur Finanzierung ein Förderverein gegründet. Ein Raum im Parterre wurde gemietet für «die Nachbar», mit dem Ziel, Platz zu schaffen für Gemeinschaft, Gespräche und Co-Working. «Mit diesem Pilotprojekt gehen wir ganz direkt auf die Menschen zu», sagt Miriam Gehrke.

Als Projektleiter wurde Tim Bucher ernannt, der die Bauphase begleitete. Das Mobiliar wurde auf dem Secondhandmarkt erstanden. Zwei grosse Tische, die ehemals in einem alten Kloster standen, wurden in einer Brockenstube gekauft und werden nun als Esstische verwendet. Nach Abschluss der Projektphase übernahm Sabina Hediger, 54, diesen Sommer die Betriebsleitung. Sie amtiert in einem 20-Prozent-Pensum für «die Nachbar», wohnt selbst in der Stahlgiesserei und ist seit mehreren Jahren als Life-Coach tätig. Zuvor lebte sie viele Jahre mit ihrem Partner in der Stadt Zürich, bis ein Zufall, wie sie sagt, sie nach Schaffhausen verschlagen hat. «Wir sahen das Projekt Stahlgiesserei im Internet und fanden es einen tollen Mix zwischen Industrie und Wohnen.»

In der Nachbar dreht sich alles um den Zauber der Begegnung.

«Echte Verbindungen knüpfen»

Während der Coronazeit ins Areal eingezogen, entdeckte Sabina Hediger «die Nachbar». Obwohl bei der ersten Veranstaltung, die sie besuchte, der Raum noch in der Rohbauphase war, erinnert sie sich: «Es war ein Spirit der Wärme und des Willkommenseins. Ich fühlte Geborgenheit inmitten dieses grossen Komplexes.» Mittlerweile schreibt sie regelmässig einen Newsletter, initiiert und leitet die Veranstaltungen und gestaltete die Website neu, auf der die aktuellen Veranstaltungen nachzulesen sind. Auf dem Programm sind unter anderem Spieleabende, Kreativ- Workshops, die «offeni Türe», der Sonntagsbrunch, die ReparierBar oder die «MittagsZeit» (man bringt sein Mittagessen mit und kann mit anderen gemeinsam essen). Zahlreiche weitere Aktivitäten sind in Planung.

«In der Nachbar dreht sich alles um den Zauber der Begegnung», so Sabina Hediger. «Von Jung bis Alt, aus dem Quartier oder von weiter weg sitzen wir alle an einem Tisch und geniessen gemeinsam das Leben in all seinen Facetten.» Natürlich weiss sie, dass es manchmal eine Hürde sein kann, Vertrauen zu fassen, um vorbeizukommen. «Doch ich möchte dazu einladen, diesen kleinen Schritt zu wagen. Denn hier wird man nicht nur mit offenen Armen empfangen, sondern findet auch die Möglichkeit, echte Verbindungen zu knüpfen.»

Miriam Gehrke verdoppelt: «Die Nachbar ist ein Ort, an dem Menschen zusammenkommen können, in einem guten Geist. Wenn sie möchten, können sie über spirituelle Themen sprechen oder auch nur einen Kaffee trinken oder arbeiten. Unsere Vision ist es, dass die Bewohner vom Quartier, oder auch andere, irgendwann diesen Raum übernehmen und selbstständig betreiben. Bis es so weit ist, sind wir dabei, um dies aufzugleisen und zu begleiten.»

 

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