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In der Sackgasse?

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01.01.2016
Nach fünfzig Jahren steht heute die Ökumene still. Katholiken und Reformierte beharren auf ihren Standpunkten, zum Leidwesen vieler Gläubigen. Gemeinsam Eucharistie oder Abendmahl zu feiern, ist in weite Ferne gerückt.

Im Januar begehen etliche Kirchgemeinden die Woche der Einheit. Doch gerade in der Ökumene herrscht zwischen der reformierten und katholischen Kirche vielerorts Stillstand. Zwar feiern Pfarrerinnen und Pfarrer mit den Priestern und Pastoralassistenten gemeinsam nach wie vor spezielle Gottesdienste. Und Katholiken und Reformierte finanzieren gemeinsam zahlreiche soziale Institutionen und Einrichtungen wie die Offenen Kirchen und die Flughafen- und Bahnhofkirche. Feierlich verpflichteten sich die Kirchenleitungen in der «Charta Oecumenica» «gemeinsame Feiern und diakonische Einsätze» zu fördern.
Doch oftmals bleibt dies eine Absichtserklärung. Der «Ökumene des Sparens und der leeren Kassen», wie hinter vorgehaltener Hand gewitzelt wird, fehlt die Kraft. An vielen Orten sind die Bemühungen eingeschlafen. Und übernimmt ein neuer Priester eine Kirchgemeinde, so ist Austausch plötzlich nicht mehr möglich, klagen reformierte Kolleginnen und Kollegen. Den Geistlichen aus einem fremden Kulturkreis fehle oftmals die helvetische Offenheit.
Äusserungen des Vatikans und der protestantischen Kirchenleitungen zeigen zudem, dass man bei den Kernfragen des Glaubens nicht weiterkommt. Als im letzten Jahr Pfarrer und Priester aus verschiedenen Konfessionen ankündigten, in der Kirchgemeinde Gfen ZH gemeinsam Eucharistie zu feiern, wurde dies von den Kirchenleitungen unterbunden.

Konzil der Hoffnung
Entscheidend für den ökumenischen Aufbruch war das 2. Vatikanische Konzil. Der ehemalige Schaffhauser Kirchenratspräsident Georg Stamm erinnert sich gut an den charismatischen Papst Johannes XXIII, der das Konzil prägte.
Für den heute Achtzigjährigen war es eindrücklich, wie im Vatikan plötzlich ein neuer Wind wehte: Nach Jahrtausenden Papstkult, den die Tiara, die Papstkrone, symbolisierte, folgte nun ein «Aggiornemento». «Jeder Christ, auch jenseits der eigenen Konfessionsgrenzen, wurde auf Augenhöhe wahrgenommen», erzählt Georg Stamm. Protestanten wie der Ökumeniker Lukas Vischer oder Arnold Bittlinger verfolgten den Aufbruch in Rom mit und wurden gehört.
Die ökumenische Öffnung wurde zur Basis für die katholische Synode 72. Georg Stamm nahm an diesen Prozess als reformierter Berater im Bistum Basel teil. Hier legte man alles auf den Tisch, erzählt Stamm, angefangen bei der Frauen-Ordination, der Priester-Ehe bis zur Abendmahlsgemeinschaft. Die Offenheit vom damaligen Basler Bischof Hänggi sei beispielgebend gewesen, erzählt Stamm.
Das 2. Vatikanische Konzil war ein Fanal: Reformierte wie Katholiken veränderten ihre Liturgie. Der Tisch mit der Offenheit zur Gemeinde wurde Zentrum der katholischen Eucharistie. In den reformierten Kirchen brannten plötzlich Kerzen. Musik, Gesang, Tanz und Meditation flossen in den Gottesdienst ein. Der Einfluss der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé war enorm. Zehntausende Jugendliche pilgerten in den kleinen Weiler in Burgund und erlebten dort ein Christentum ohne konfessionelle und ethnische Grenzen. Begeistert kehrten sie in ihre Kirchgemeinden zurück. «Wir erlebten, dass der ganze Mensch im Gottesdienst angesprochen wurde und nicht nur sein Denkkästlein», witzelt Stamm.
Zurzeit sei das ökumenische Klima ziemlich gestört, erklärt Wolf Südeck-Baur. Der Chefredaktor der Zeitschrift «aufbruch» beobachtet mit Sorge die Entwicklung der religiösen Landschaft. Auf katholischer Seite wurde im Frühjahr die Publikation eines Eucharistie-Papiers der Schweizer Bischofskonferenz von der SBK zurückgehalten. Man wollte das ohnehin angespannte Klima nicht zusätzlich belasten. In dem Papier sollte dem Vernehmen nach wieder einmal deutlich gemacht werden, warum Protestanten und Katholiken nicht zusammen Abendmahl feiern könnten. Auf reformierter Seite rief derweilen Gottfried Locher, SEK-Präsident, dazu auf, sich auf die innerprotestantische Ökumene zu konzentrieren. In der Beziehung zu den Katholiken käme man nicht weiter.
Den Grund für den Stillstand sieht Wolf Südbeck-Baur in den verschiedenen Vorstellungen über den ökumenischen Weg: Die katholische Kirche beharre auf ihren Dogmen und erkläre, zuerst brauche es die Einheit in der Lehre, ohne die es keine prinzipielle eucharistische Gastfreundschaft geben könnte. Die reformierte Kirche vertrete hingegen den Standpunkt, gemeinsam Abendmahl feiern zu können als Vorwegnahme der ökumenischen Einheit.
Für Wolf Südbeck-Baur führt das Beharren auf den eigenen Positionen in eine Sackgasse. Da gebe es nur Verlierer. Die Kirchen müssten verstärkt gemeinsame Schritte wagen. Etwa in der Sozial- und Asylpolitik oder bei Fragen des Glaubens. Gemeinsam sollten die Kirchen handeln und nach aussen auftreten.
Das Gleiche forderte vor kurzem auch Hans Küng in einem Interview. Die Abschottungsstrategie habe keine Zukunft. «Wir müssen unbedingt dazu kommen, dass wir wieder gemeinsam Tritt fassen können.» Dies gelte sowohl im Blick auf die Gläubigen, die sich von beiden Kirchen abgewendet haben, als auch im Blick auf die Welt, wo beide Kirche Einfluss haben.

Tilmann Zuber

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